Berlin : Politische Debatte und Proteste

Sachliche Kritik an israelischer Militärpolitik aus allen Lagern nimmt zu. Eine Übersicht

berlin.jpg (3173 Byte)Mehrere tausend Menschen haben am Samstag in verschiedenen deutschen Städten gegen den Einmarsch Israels in die Palästinenser-Gebiete demonstriert. In Berlin, Bonn, Dortmund, Karlsruhe, Hannover und Bremen gingen nach Polizeiangaben insgesamt rund 6500 Menschen auf die Straßen. In Berlin hatte die palästinensische Gemeinde für den Abend zu einem Trauermarsch im Gedenken an die Opfer der israelischen Besatzung aufgerufen. Auch aus der Bundesregierung kam Kritik an dem militärischen Vorgehen Israels in den Palästinenser-Gebieten.

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) kritisierte Israel wegen seiner Militäraktionen. «Wer glaubt, mit militärischer Besetzung und Okkupation die terroristischen Aktionen eines Teils der Palästinenser beenden zu können, wird keinen Frieden schaffen», sagte sie dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Es sei offensichtlich, dass «in dieser Region im Moment schreckliches Unrecht geschieht».

Wieczorek-Zeul nannte die Zurückweisung des außenpolitischen EU- Beauftragten Javier Solana durch die israelische Regierung «eine Provokation». Israel hatte Solana ein Treffen mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat verweigert, der in seinem Hauptquartier in Ramallah von der Armee belagert wird. Wieczorek-Zeul forderte die Vereinten Nationen auf, Beobachter in die Krisenregion zu entsenden.

Der israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, wünschte sich im Zusammenhang mit den Israel-kritischen Äußerungen mehrerer Politiker mehr Vorsicht und bessere Information. Im Südwestrundfunk (SWR) würdigte er aber, dass Israel sehr viel Verständnis bekomme und sich zahlreiche Deutsche mit dem Staat Israel solidarisierten.

Die militärische Offensive Israels spaltet indessen auch die deutsche Politik. Nach Ansicht des Nahostexperten Hans-Jürgen Wischnewski (SPD) unterschätzt Israels Ministerpräsident Ariel Scharon die Folgen seines harten Kurses gegen die Palästinenser. Der Einmarsch in Bethlehem habe nicht nur die arabische Welt entsetzt. «Er muss sich darüber im Klaren sein, dass das, was er dort macht, die Christen bis zum Äußersten erzürnt», sagte der ehemalige Staatsminister im Bundeskanzleramt am Freitag in einem dpa-Gespräch in Köln.

In der Geburtsstadt Jesu stellten die Christen mehr als 20 Prozent der Bevölkerung, sagte Wischnewski. Die Gemeinde und ihre Glaubensbrüder in aller Welt seien beunruhigt über das militärische Vorgehen rund um die historischen Stätten.

Die Entscheidung Scharons, EU-Politikern den Besuch beim in Ramallah isolierten Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat zu untersagen, sei «unverschämt und zeigt, dass die Israelis nicht besonders europafreundlich sind», kritisierte Wischnewski. Die
Demütigung Arafats habe nichts eingebracht: «Sein Rückhalt in der Bevölkerung ist wieder stärker geworden.»

Auch die derzeitige «Operation Schutzwall» der israelischen Armee, bei der in den besetzten Gebieten Terroristen aufgespürt werden sollen, schade dem Ansehen des jüdischen Staats. «Man muss natürlich den Selbstmord-Terrorismus nicht nur verurteilen, sondern auch bekämpfen. Aber es muss in einem angemessenen Verhältnis sein. Jetzt
haben sie praktisch ganz Palästina besetzt», sagte der frühere Krisenmanager, der Ehrenvorsitzender des Städtepartnerschafts-Vereins zwischen Köln und Bethlehem ist.

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, hat den früheren Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) wegen seiner Äußerungen zum Nahost-Konflikt scharf kritisiert. Verschiedene politischen Vertreter warfen dem Zentralrat widerum vor, er habe sich bisher nicht ebenfalls von Übergriffen der israelischen Armee distanziert.

Blüm hatte das israelische Vorgehen gegen die Palästinenser in einem Schreiben an den israelischen Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, als «hemmungslosen Vernichtungskrieg» bezeichnet. Zuvor hatte bereits der Abgeordnete Lamers die Taktik Israels kritisiert und das politische Deutschland aufgefordert die geschichtlich begründete Zurückhaltung aufzugeben.

Vorallem Blüm wird nun scharf angegangen, so sagte Friedman der «Bild»-Zeitung (Donnerstagausgabe): «Norbert Blüm disqualifiziert sich, weil er einseitig, undifferenziert Klischees übernimmt.» Worin die Klischees oder Fehleinschätzungen genau bestehen wurde nicht genannt. Auch der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der FDP-Bundestagsabgeordnete Dirk Niebel, wandte sich gegen Blüm. «Herr Blüm hat sich total im Wort vergriffen», sagte Niebel.

Quelle: Islamische Zeitung

@ Ekrem Yolcu

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