Die israelische Großoffensive im Westjordanland
rollt ungeachtet eines erneuten Rückzugsappells der USA weiter und fordert immer mehr
Todesopfer. Nach palästinensischen
Angaben wurden am Samstag mindestens sechs Palästinenser bei Kämpfen mit israelischen
Soldaten im Westjordanland getötet. Nach unbestätigten Angaben war die Zahl der Toten
noch weitaus höher.
Der palästinensische Planungsminister Nabil Schaath warf Israel ein «Massaker» im
Flüchtlingslager von Dschenin vor. Dies wies die israelische Armee kategorisch zurück.
Die radikal-islamische Hamas-Bewegung drohte Israel mit Racheaktionen «nie dagewesenen
Ausmaßes».
US-Außenminister Colin Powell, der in der Nacht zum Montag in die Krisenregion reist,
forderte Israel auf, «so schnell wie möglich» mit dem Rückzug aus den besetzten
Städten im Westjordanland zu beginnen. Die israelische Armee könne mit dem Abzug nicht
bis zu seiner Ankunft in der kommenden Woche warten, sagte Powell am Freitagabend in
Washington. «Der Präsident erwartet, dass der Vormarsch gestoppt und der Rückzug so
schnell wie möglich und ohne Verzögerung erfolgt.»
Nach den Worten des palästinensischen Planungsministers Nabil Schaath wird kein
arabischer Politiker wird mit Powell über die Palästinenser sprechen, falls dieser bei
seiner bevorstehenden Nahost-Reise nicht auch Palästinenserpräsident Jassir Arafat
trifft. Das kündigte Schaath nach dem Beginn einer Sondersitzung der Außenminister der
Arabischen Liga vor Journalisten in Kairo an.
Schaath sagte bei der Liga-Sitzung, im Flüchtlingslager von Dschenin seien Hunderte
verletzt worden und könnten nicht medizinisch versorgt werden. Er verglich die Angriffe
in dem Lager mit etwa 15 000 Einwohnern mit dem Massaker in den Flüchtlingslagern von
Sabra und Schatila 1982.
Der israelische Armeesprecher David Ehrlich, der sich selbst in Dschenin aufhielt, sagte
der Deutschen Presse-Agentur (dpa), vor Ort seien seit drei Tagen «heftige Kämpfe mit
bewaffneten Palästinensern» im Gange, mit «Feueraustausch von beiden Seiten». Von
einem «Massaker an unbewaffneten Zivilisten» könne nicht die Rede sein. Man habe den
Abtransport von Toten und die Versorgung der Verletzten gestattet. Die Armee suche vor Ort
nach militanten Palästinensern und Waffenlagern. Man habe bereits ein großes
Waffenversteck gefunden. |
Da die Telefonverbindungen zu den Städten
Nablus und Dschenin weitgehend abgebrochen sind, war die Informationsbeschaffung im
nördlichen Westjordanland am Samstag erheblich erschwert. Nach unbestätigten Angaben
kamen seit Freitag allein in Dschenin mindestens 14 Palästinenser zu Tode.
Nach
palästinensischen Angaben wurden im Flüchtlingslager von Nablus vier Palästinenser bei
Hausdurchsuchungen getötet. Der israelische Rundfunk meldete, erstmals seien auch
Soldaten im Händlerviertel von Nablus im Einsatz, das Israel als Hochburg
radikaler Palästinensergruppen gilt. In den frühen Morgenstunden waren israelische
Soldaten auch in die Ortschaft Jata bei Hebron eindrungen. Bei dem Vormarsch wurden zwei
weitere Palästinenser getötet.
Bei einem Angriff bewaffneter Palästinenser auf eine jüdische Siedlung im südlichen
Gazastreifen waren in der Nacht zum Samstag ein israelischer Soldat und zwei der Angreifer
getötet worden.
Von palästinensischer Seite wird davon ausgegangen, dass Israel seine Großoffensive
nun auf kleinere palästinensische Ortschaften und
Dörfer im Westjordanland ausweitet. Israel reagierte mit der «Operation Schutzwall» auf
eine Welle palästinensischer Selbstmordanschläge, bei der seit Mittwoch
vergangener Woche mehr als
45 Israelis ums Leben kamen.
Die Hamas drohte Israel unterdessen am Samstag mit neuen Racheaktionen. Der militärische
Hamas-Arm «Issedin el Kassam» veröffentlichte die Drohungen als Reaktion auf einen
israelischen Raketenangriff auf ein Gebäude in der Ortschaft Tubas, bei dem am Vortag
sechs Hamas-Aktivisten getötet worden waren.
Angesichts der bevorstehenden Nahost-Reise Powells sagte der ehemalige palästinensische
Chefunterhändler Sajeb Erekat am Samstag, die palästinensische Führung werde den
US-Außenminister boykottieren, wenn er nicht zum Treffen mit Arafat bereit sei. «Wenn er
Präsident Arafat nicht trifft, der unser gewählter Führer ist, dann wird er keinen
anderen palästinensischen Verantwortlichen treffen», sagte Erekat dem arabischen
TV-Sender El Dschasira.(dpa)
Quelle: Islamische Zeitung
@ Ekrem Yolcu |