BVG: Moslemische Metzger dürfen wieder schächten
Kläger spricht von wichtigem Schritt für die Integration (mit Zentralrat der Muslime, Tierschutzbund)

Karlsruhe, 15. Januar (AFP) - Moslemische Metzger dürfen ab sofort wieder wie ihre jüdischen Kollegen Schlachttiere mit einem Kehlschnitt und ohne Betäubung töten, damit die Tiere vor dem Tod völlig ausbluten. Das entschied das Bundesverfassungsgericht (BVG) in einem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil. Das so genannte Schächten aus religiösen Gründen war Moslems 1995 vom Bundesverwaltungsgericht untersagt worden, weil der Islam den Verzehr von bluthaltigem Fleisch nicht zwingend verbiete. Laut BVG legten die Berliner Richter damit den Begriff der Religionsgemeinschaft zu eng aus. Innerhalb des Islam gebe es durchaus Glaubensrichtungen, für die das Schächten zwingendes Gebot sei.

Der Kläger Rüstem Altinküpe, ein strenggläubiger türkischer Metzger aus Hessen, hat damit nun wieder Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das vom Tierschutzgesetz verbotene Schächten, wenn er vor dem Verwaltungsgericht nachweist, dass das Schächtgebot Bestandteil seiner sunnitischen Glaubensrichtung ist. Der Kläger bezeichnete das Urteil als wichtigen Schritt zur Integration der 3,2 Millionen in Deutschland lebenden Moslems.

Der Vorsitzende des "Zentralrats der Muslime in Deutschland" (ZMD), Nadeem Elyas, sagte, die Entscheidung bedeute für die Zukunft die Gleichbehandlung der Moslems mit anderen Religionsgemeinschaften. Der Zentralrat werde nun für die fachgerechte Aus- und Fortbildung von moslemischen Metzgern sorgen und mit Veterinärämtern sowie Tierschutzverbänden konstruktiv zusammenarbeiten.

Der Deutsche Tierschutzbund und der Bundesverband der Tierversuchsgegner kritisierten die Entscheidung, weil das Schächten mit "erheblichem" Leid der Tiere verbunden sei. Die Organisationen forderten die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung. Solange Tiere unter Berufung auf Grundrechte wie die Religions-, Berufs- oder Wissenschaftsfreiheit "gequält werden dürfen", helfe ihnen kein noch so gutes Tierschutzgesetz, erklärten die beiden Organisationen.

Die Verfassungshüter forderten in ihrem Urteil die Behörden und Verwaltungsgerichte zu einer so genannten verfassungskonformen Auslegung des Tierschutzgesetzes auf. Nach dessen Vorgaben dürfen warmblütige Tiere nur betäubt geschlachtet werden. Ausnahmen sind allerdings zulässig, wenn "zwingende Vorschriften einer Religionsgemeinschaft" dies verlangen. Das BVG verwies darauf, dass "Religionsgemeinschaft" im zugrundeliegenden Fall eine "Gruppe von Menschen" bedeute, die eine gemeinsame Glaubensüberzeugung verbinde. Solch eine Auslegung entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der Ausnahmen vom Schächtverbot sowohl für Juden als auch Moslems eröffnen wollte.

Ein Freibrief für den unkontrollierten Kehlschnitt bei Schlachttieren ist das Urteil gleichwohl nicht: Ausnahmegenehmigungen zum Schächten dürfen laut BVG nur erteilt werden, wenn der moslemische Metzger eine Sachkundeprüfung bestanden hat und die Schlachträume so eingerichtet sind, dass den Tieren alle vermeidbaren Schmerzen oder Leiden erspart bleiben. Haus- und Privatschlachtungen sollen damit unterbunden und statt dessen Schlachtungen in zugelassenen Schlachthäusern angestrebt werden, heißt es im Urteil.

Quelle: Marktplatz Recht

by Muhammed Faruk