Originaltext

Sura 112

(© Mürsid 1.0, astec GmbH)

112-AL-ICHLÃS

Übersetzung

Die Aufrichtige Ergebenheit (offenbart in Mekka)

Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen

1. Sprich: "Er ist Allah, der Einzige;

2. Allah, der Unabhängige und von allen Angeflehte.

3. Er zeugt nicht und ward nicht gezeugt;

4. Und keiner ist Ihm gleich.

  KOMMENTAR


Kommentar

Ober den Vorzug dieser Sura, die nach überwie-gender Meinung in Makka offenbart wurde, gibt es viele Hadite. Al-Buhâri überliefert z. B. folgenden Hadit-i Qudsi:

»Allah (t) sagt: 'Der Mensch leugnet Mich, und er hat kein Recht dazu; und er beschimpft Mich, und er hat kein Recht dazu; sein Mich-Leugnen besteht darin, daß er behauptet, daß Ich ihn nicht wiedererwecke, so wie Ich ihn anfangs erschaffen habe; und sein Mich-Beschimpfen besteht darin, daß er behauptet, Allah hätte einen Sohn gezeugt. Aber Ich bin der ewige, alleinige Herr, Der Ich nicht zeuge und Der Ich nicht gezeugt worden bin, und niemand ist Mir gleich.'«

In einem anderen Hadit bei Al-Buhâri wird geschildert, wie ein Vorbeter in jeder Rak'a seiner Gebete immer diese Sura und dann noch eine weitere Sura zusätzlich rezitierte. Als ihn der Prophet Muhammad (a.s.s.) nach dem Grund dafür fragte, sagte jener, daß er diese Sura so liebe. Darauf erwiderte der Prophet (a.s.s.):

»Deine Liebe zu ihr bringt dich ins Paradies!« Ebenfalls bei Al-Buhâri wird überliefert, daß der Prophet (a.s.s.) jede Nacht dreimal diese Sura und die beiden Schutzsuren (Sura 113, AI-Falaq, Die Morgenröte und Sure 114, An-Nâs, Die Menschen) rezitierte, dabei die Hände zusammenlegte, sie anblies und mit ihnen, beim Kopf beginnend, den ganzen Körper überstrich. Und nach einem Hadit der von Muslim überliefert wird, hat der Prophet Muhammad (a.s.s.) gesagt:

»Allah (t) hat den Qur'an in drei Teile geteilt, und Qull-huwal-l-lâhu'ahad ist ein Drittel des Qur'an.«

Der Vorzug dieser Sura ist nicht erstaunlich, denn sie beinhaltet grundlegende Glaubenssätze des Islam und weist jedes Leugnen der Einheit und Unvergleichlichkeit Allahs (t) von seiten der Juden, Christen und Götzenanbeter entschieden zurück. Denn die Juden behaupten, Esra (a.s.) sei Gottes Sohn, was die Christen über Jesus (a.s.) ebenfalls behaupten, und die heidnischen Mekkaner, die die Existenz Allahs (t) keineswegs abstritten, sich jedoch über Ihn völlig falsche Vorstellungen machten und neben Ihm zahlreiche Götzen anbeteten, verehrten insbesondere Al-Lât und Al-'Uzzâ als angebliche Töchter Allahs (t) und dachten, auch die Engel seien Allahs Töchter.

Der Islam dagegen ist die einzige Lehre des absoluten Ein-Gott-Glaubens, was in dieser Sura kurz, aber umfassend dargestellt wird.

Nach einem Hadit bei Al-Buhâri wurde diese Sura offenbart, als die Ungläubigen den Propheten Muhammad (a.s.s.) aufforderten, ihnen seinen Herrn zu beschreiben.

Im ersten Vers dieser Sura heißt es:

»Sprich: Er ist Allah, ein Einziger«

Dieser Vers beinhaltet die Zusammenfassung der islamischen Glaubenslehre, deren Inhalt das Anliegen aller Propheten war. Es handelt sich um die Darlegung des Tauhid, nämlich daß es keinen anderen Gott neben Allah (t) gibt, wie es auch im islamischen Glaubensbekenntnis heißt:

»Es gibt keinen Gott außer Allah.«

Man spricht von der Wahdãniya Allahs: Seiner Einheit, die die Mehrheit und das Zusammengesetztsein ausschließt, und der Einzigartigkeit Seiner Existenz, d. h., daß Allah (t) alleiniger und einziger Gott und unvergleichlich ist. Eigentlich müßte diese Lehre für jeden nachdenkenden Menschen eine Selbstverständlichkeit sein. Dennoch hat es immer Götzendienst und Vielgötterei sowie die Lehre von Töchtern und Söhnen Gottes gegeben. Und deshalb sandte Allah (t) Seine Propheten, um die Menschen an die Lehre des Tauhid zu erinnern, als letzten Gesandten den Propheten Muhammad (a.s.s.). Und des-halb ist der Glaube an den Tauhid auch die erste Glaubenspflicht für jeden Muslim; entsprechend oft weist Allah (t) im Qur'an auf diesen Glaubensgrundsatz hin. Neben dieser 112. Sura heißt es z. B. in der 2. Sura (Al-Baqara, Die Kuh) in Vers 163:

»Und euer Gott ist ein einziger Gott; es gibt keinen Gott außer Ihm, dem All-Erbarmer, dem Barmherzigen.«

Die aufrichtige Bezeugung des Gläubigem daß es keinen Gott gibt außer Allah (t), ist sein Bekenntnis mit der Zunge, nachdem von seinem Herzen die feste Oberzeugung Besitz ergriffen hat, daß es keinen Anzubetenden außer Allah (t) gibt und daß nur Ihm Folge zu leisten ist.

Dieser Glaube an den Tauhid ist es, der den Muslim unabhängig und frei von anderen Menschen macht, denn Allah (t) ist ja der einzig Anzubetende, und nur Seinen Gesetzen darf man gehorchen. Wenn über die Menschen Unglück hereinbricht, sobald sie sich eigenmächtigen Staatsoberhäuptern, Kirchenvertretern oder Sektierern und deren Gesetzen und Lehren unterwerfen, dann liegt das daran, daß sie gegen die Lehre des Tauhid verstoßen, indem sie anderen als Allah (t) gehorchen und sie damit anbeten.

Die Verbindung von Verehrung und Gehorsam gegenüber Allah (t) mit Verehrung und Gehorsam gegenüber anderen als Ihn heißt im Arabischen Sirk. Dieser Sirk ist eine Todsünde im Islam, die Allah (t) nicht verzeiht. Dazu heißt es in Sura 4 (An-Nisa= Die Frauen), Vers 116:

»Allah vergibt nicht, daß man Ihm (andere Götter, Idole) zur Seite stellt, doch vergibt Er alles außer diesem, wem Er will. Und wer Allah (andere Götter, Idole) zur Seite stellt, der ist weit abgeirrt.«

Dieser Sirk umfaßt mehrere Erscheinungsformen: Zu ihnen gehören keineswegs nur die Anbetung von Götzen im ursprünglichen Sinne des Wortes oder die Anbetung von Sonne, Mond und Feuer oder von Geistern Verstorbener in den heidnischen Religionen; zu ihnen gehören z. B. auch - gerade in unserer Zeit - die an Anbetung grenzende Verehrung von Idolen, die Erhebung des Konsums zum Götzen, indem man über übermäßigem Streben nach materiellen Gütern Allah (t) und Seine Gesetze vergißt, oder die »Vergötterung« anderer Menschen. Letzteres ist immer dann der Fall, wenn man den Wünschen, Gesetzen oder Lehren von Menschen folgt, die nicht im Einklang mit den Normen des Islam stehen.

Menschen, die eine Befolgung ihrer Ideen bewirken wollen, können dies auf unterschiedlichste Weise versuchen, z. B. durch das Ausnutzen von Naivität und durch Betrug, durch Anwendung von Strenge und Einschüchterung oder durch Bedrohung und Unterwerfung.

Aber auch aus Liebe und Verehrung für einen Menschen, die bis zur Vergötterung wachsen, kann Sirk entstehen; am extremsten kommt dies zum Ausdruck bei der Verehrung der Christen für den Propheten Jesus (a.s.), den sie als »Gottes Sohn« anbeten und als Bestandteil der sogenannten Dreieinigkeit betrachten.

All den genannten Irrwegen erteilt der Islam durch die eindeutige Lehre des Tauhid eine klare Absage. Der Prophet Muhammad (a.s.s.) hat es z. B. verboten, ihn zu erhöhen, wie es die Christen mit Jesus (a.s.) getan hatten. Und im Qur'an heißt es in der 18. Sura (Al-Kahf, Die Höhle), Vers 110: »Sprich: ,Ich bin nur ein Mensch wie ihr. Mir wurde offenbart, daß euer Gott ein einziger Gott ist. Wer die Begegnung mit seinem Herrn er- hofft, der soll rechtschaffene Werke vollbringen und bei der Verehrung seines Herrn Ihm niemanden zur Seite stellen«

Der erste, kurze Vers der 112. Sura - »Sprich: Er ist Allah, ein Einziger« - beinhaltet also trotz seiner wenigen Worte eine umfassende und grundlegende Lehre. Von dieser Lehre des Tauhid muß der Mensch in seinem Herzen zutiefst überzeugt sein, um ein treu ergebener Diener Allahs (t) werden zu können. Der Schritt der Anerkennung des Tauhid ist unabdingbare Voraussetzung für alle weiteren Schritte zum Erfolg. Hieraus verstehen wir nun auch den Titel dieser Sura: »Die aufrichtige Ergebenheit« .

Auf der Lehre des Tauhid baut sich das ganze Leben des Muslim auf, denn aus ihr schöpft der Gläubige erst das Wissen, daß es überhaupt einen Gott gibt, Der alles erschaffen hat und alles beherrscht, und daß dieser Gott allein und ohne Partner, ewig, Sich selbst genügend und allmächtig ist.

Nachdem wir aus dem ersten Vers von der Existenz Allahs (t) und von Seiner Einzigartigkeit erfahren haben, lehrt uns der nächste Vers, daß Er auch der unumschränkte und immerwährende Herrscher ist. Das arabische Wort samad bedeutet Herr, ohne dessen Willen nichts geschehen kann«. Allah (t) ist sozusagen die »oberste und letzte Instanz., von Ihm sind alle Geschöpfe abhängig, und Ihm ist alles untertan.

Einige Qur'an-Kommentatoren verstehen unter Samad den »Ewigen«, d. h., Allah (t) ist ohne Anfang und Ende und an keine Zeit gebunden. Dieser zweite Vers knüpft an die Bedeutung des ersten Verses unmittelbar an und unterstreicht die Einzigartigkeit Allahs (t). Und er leitet auch zum nächsten Vers über, zu einer anderen Einzigartigkeit Allahs (t), weshalb einige Kommentatoren diesen Vers auch dahingehend interpretieren, daß mit Samad eine Eigenschaft Allahs (t) gemeint sei, die im folgenden Vers erklärt wird.

Der dritte Vers heißt:

»Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt worden.« Dieser Vers ist eine Antwort auf die falschen Behauptungen, die Engel seien Töchter Allahs (t), oder Esra (a.s.) sei Sein Sohn oder Jesus (a.s.). Allah (t) ist also kein leiblicher Vater, noch ist Er selbst von jemandem gezeugt worden. Er ist Allah, der Eine und der Alleinige. Da die Gottessohnschaft eine weitverbreitete und leichtgläubig angenommene Irrlehre ist, erwähnt Allah (t) in diesem Vers zuerst, daß Er keinen leiblichen Sohn hat, und stellt erst dann klar, daß Er selbst auch nicht gezeugt worden ist: Allah (t) ist somit ewig und ohne Anfang.

Im letzten Vers wird noch einmal zusammenfassend Bilanz aus den drei ersten Versen gezogen:

»und keiner ist Ihm gleich+.

Das bedeutet zum einen, daß sich Allah (t) in Seinem Wesen völlig von Seinen Geschöpfen unterscheidet und daß sich daher jede Gleichstellung Allahs (t) mit von Ihm erschaffenen Geschöpfen von selbst ausschließt, und es bedeutet zum anderen, daß die Eigenschaften der Geschöpfe nicht identisch sind mit denen Allahs (t). Das Wissen des Menschen z. B. ist begrenzt, während Allah (t) allwissend ist.

In Vers 11 der Sura 42 (As-Sûrâ, Die Beratung) sagt Allah (t) von Sich selbst:

»Nichts kommt Ihm gleich, und Er ist der Hörende, der Sehende.« Das bedeutet einerseits, daß keine Eigenschaft irgendeines der Geschöpfe oder eines Teils der Schöpfung einer der Eigenschaften Allahs (t) gleich ist. Er ist also unvergleichlich, einzigartig. Gleichzeitig bekräftigt Allah (t) aber, daß Er Eigenschaften besitzt, also kein abstraktes Wesen ist. Jedoch sind diese Seine Eigenschaften nicht denen des Menschen oder irgendeines an-deren Seiner Geschöpfe gleich: Er hört, aber nicht, wie wir hören, Er sieht, aber nicht, wie wir sehen. Damit wir uns jedoch überhaupt eine Vorstellung von Allahs Eigenschaften machen können, benennt Er sie mit den entsprechenden Namen der menschlichen Eigenschaften, auch wenn sie ihnen nicht gleichkommen. Darüberhinaus ist Allahs (t) auf niemanden angewiesen, die Menschen jedoch sind von Ihm und Seiner Gnade abhängig. Schließlich ist Allahs Macht ohne Grenzen und Er selbst ewig, die Macht des Menschen jedoch ist begrenzt, sein Leben kommt von Allah (t) und wird durch Seinen Willen auch beendet.

Niemand ist also Allah (t) gleich, weder in Seinem Wesen noch in Seinen Eigenschaften noch in Seinen Taten.

Gepriesen sei Allah, Der der Eine und alleinige

Herr ist, Der nicht zeugt und nicht gezeugt worden und Dem keiner gleich ist!

Lehre

  1. Zahlreiche Hadit heben den Vorzug dieser Sura hervor.
  2. In dieser Sura werden die grundlegenden Lehren des Tauhid dargelegt.
  3. Allah (t) ist ein einziger Gott und hat keine Götter neben sich.
  4. Die Anerkennung und Befolgung des Tauhid machen den Menschen frei und unabhängig von anderen Menschen.
  5. Allah (t) vergibt nicht, daß Ihm in Seinem Schöpfungswerk und in Seiner Herrscherstellung jemand oder etwas zur Seite gestellt wird.
  6. Allah (t) ist der unumschränkte und immerAllahwährende Herrscher.
  7. Allah (t) ist kein leiblicher Vater.
  8. Allah (t) wurde nicht gezeugt.
  9. Niemand ist Allah (t) gleich, weder in Seinem Wesen noch in Seinen Eigenschaften noch in Seinen Taten.

Und Allah (t) weiß es am besten!