Originaltext

Sura 109

(© Mürsid 1.0, astec GmbH)

109-AL-KÃFERUN

Übersetzung

Die Ungläubigen (offenbart in Mekka)

Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen

1. Sprich ; "O ihr Ungläubigen !1. Wahrlich, Wir haben dir Fülle des Guten gegeben;

2. Ich verehre nicht das, was ihr verehret,2. So bete zu deinem lierm und opfere.

3. Noch verehrt ihr das, was ich verehre.

4. Und ich will das nicht verehren, was ihr verehret;

5. Noch wollt ihr das verehren, was ich verehre.

6. Euch euer Glaube, und mir mein Glaube."

  KOMMENTAR


Kommentar

Diese Sura wurde nach überwiegender Meinung der Qur'an-Gelehrten in Makka offenbart.

Sie ist von besonderer Bedeutung; dies kommt in mehreren Aussprüchen des Propheten Muhammad (a.s.s.) zum Ausdruck, in denen er empfiehlt, diese Sura vor dem Einschlafen zu rezitieren.

Offenbart wurde diese Sura, als die Ungläubigen in Makka dem Propheten Muhammad (a.s.s.) einen Kompromiß vorschlugen: Wenn der Prophet (a.s.s.) bereit sei, ihre Götzen ein Jahr lang anzubeten, dann wollten sie ihrerseits Allah (t) ein Jahr lang anbeten. Die ungläubigen Mekkaner stellten nämlich keineswegs die Existenz Allahs (t) in Frage - sie machten sich jedoch völlig falsche Vorstellungen von Ihm, indem sie Seine Einheit und Einzigkeit bestritten, Ihm andere Götter zur Seite stellten und annahmen, daß die Engel Töchter Allahs (t) seien. Andererseits glaubten sie aber daran, daß Allah (t) die Himmel und die Erde erschaffen hat, schwörten bei Allah und riefen Ihn in ihren Gebeten mit Seinem Namen an. So heißt es z. B. im 61. Vers der Sura 29 (Al-' Ankabut, Die Spinne):

»Und wenn du sie fragst, wer die Himmel und die Erde erschaffen und die Sonne und den Mond dienstbar gemacht habe, dann sagen sie gewiß: »Allah«.In ihrer Handlungsweise waren die Mekkaner dann jedoch inkonsequent und opferten nicht nur Allah (t), sondern brachten auch ihren Götzen Opfer dar - Sachwerte und sogar Menschenopfer, um sie gnädig zu stimmen. Dazu lesen wir in Sura 6 (AI-' An'am, Das Vieh), Vers 136:

»Und sie haben Allah einen Anteil bestimmt von dem, was Er an Saat und Vieh hat wachsen las- sen. Und sie sagen: »Dies ist für Allah« - in ihrer Meinung - »und dies für unsere Teilhaber« (d. h. ihre Götzen).

Diese Handlungsweise hielten sie für richtig und für die Lehre Abrahams (a.s.); sie glaubten, daß sie rechtgeleitet seien und daß ihre Gottesverehrung besser sei als die der Juden und Christen, die die Propheten Esra (a.s.) bzw. Jesus (a.s.) als Söhne Allahs (t) betrachteten. Dabei verstanden sie nicht, daß jede Zuschreibung von Partnern bei der Herrscherstellung Allahs (t) gleich falsch und verwerflich ist. Sie verbargen die einzige Wahrheit, daß Allah (t) alleinig, einzig und unvergleichlich ist, und lehnten sich damit als Ungläubige gegen die wahre Religion Allahs (t) auf. Dies nennt man im Islam Kufr (Unglaube), und wer Kufr begeht, heißt Kâfir (Ungläubiger).

Wie das Beispiel der »ungläubigen« Mekkaner zeigt, bezeichnet der Begriff Kãfir, »Ungläubger«, also keineswegs nur denjenigen, der völlig ohne Glauben ist, also - wie man heute sagen würde - einen Atheisten, sondern er meint auch denjenigen, der zwar einen Glauben besitzt, sich damit aber im Irrtum befindet; man könnte einen Ungläubigen in diesem Sinne also auch als einen »Irrgläubigen« bezeichnen.

versuchten die Ungläubigen Mekkas, seine wahre Lehre und ihre Irrlehre in Einklang zu bringen und machten den bereits erwähnten Vorschlag, Muhammad (a.s.s.) solle sich vor ihren Götzen niederwerfen, dann würden sie sich vor Allah (t) niederwerfen. Dieser absurden und lächerlichen Idee wird in dieser Sura eine eindeutige Absage erteilt, denn der Islam läßt keine faulen Kompromisse zu: Er ist ein gerader Weg ohne Kniffe und Tricks.

Im ersten Vers wird der Prophet Muhammad (a.s.s.) aufgefordert, den Ungläubigen die Antwort Allahs (t) auf ihr Ansinnen zu geben:

»Sprich: O ihr Ungläubigen«

Die Mekkaner werden, wie bereits dargelegt, als Ungläubige bezeichnet, weil sie sich der wahren Religion Allahs (t) gegenüber ohne Glauben und damit auch undankbar gegenüber Allah (t) zeigen; sie sind somit vor Allah (t) keine Gläubigen sondern Ungläubige.

Diese Sura wendet sich jedoch nicht nur an die ungläubigen Mekaner, aus deren Anlaß sie offenbart wurde, sondern in ihr werden alle Ungläubigen angesprochen, in welchem Zeitalter und wo auch immer sie leben mögen. Der Befehl »Sprich!« bringt zum Ausdruck, daß die folgende Rede nicht Muhammads eigene Worte sind, sondern daß es sich dabei um eine Offenbarung Allahs (t) handelt, die der Prophet (a.s.s.) verkündigen soll.

Die Verkündigung beginnt also mit den Worten:

»O ihr Ungläubigen!«

Beachtenswert dabei ist, daß es hier »O ihr Ungläubigen!« heißt und nicht, wie die Anrede im Qur'an sonst im allgemeinen heißt: »O ihr, die ihr ungläubig seid!« Die Bezeichnung eines Menschen mit einer Eigenschaft ist nämlich nachdrücklicher und bekräftigender als die Beschreibung durch eine Tätigkeit oder durch einen Zustand. In diesem Vers kommt also zum Ausdruck, daß den Angesprochenen ihr Unglaube ohne Zweifel fest anhaftet und sie sich von ihm nicht abwenden wollen.

Im nächsten Vers beginnt die eigentliche Antwort und Zurückweisung:

»Ich verehre nicht, was ihr verehrt.« D. h., ein Gläubiger betet nicht an, was ein Ungläubiger anbetet, und gehorcht im Gegensatz zu den Ungläubigen niemandem außer Allah allein und Seinen Gesetzen; Der, Den ein wahrer Gläubiger anbetet, ist also nicht identisch mit dem, was die Ungläubigen anbeten.

Viele Qur'an-Kommentatoren sind der Meinung, daß dieser Vers bezüglich der Zeit allgemein zu verstehen sei und den Charakter andauernder Ausschließlichkeit besitze; er hat demnach auch die Bedeutung:

»Ich werde nie anbeten, was ihr anbetet.«

Entsprechend wird auch der dritte Vers verstanden:

»Ihr seid nicht Verehrer dessen, was ich verehre«, d. h., »ihr werdet nie bereit sein, euch meiner wahren Verehrung des einzigen und alleinigen Gottes anzuschließen.«

In den nächsten Versen wird die in den beiden vorausgegangenen festgestellte Haltung auf die Vergangenheit ausgedehnt:

»Und ich bin nicht Verehrer dessen, was ihr verehrt habt, und ihr seid nicht Verehrer dessen, was ich verehre«, denn der Prophet Muhammad (a.s.s.) hatte schon vor seinem Prophetentum, und zwar bereits als junger Mann, eine ausgeprägte Abneigung gegen den heidnischen Gottesdienst der Mekkaner und verehrte nur den einen wahren Gott. Es gibt zu diesen Versen auch noch andere Interpretationen. So betrachten einige Qur'an-Kommentatoren den zweiten und dritten Vers als Bezug auf die Gegenwart bzw. die Vergangenheit und den vierten und fünften Vers als Bezug auf die Zukunft, also der obigen Meinung entgegen-gesetzt; die Gesamtbedeutung entspricht jedoch, wie man sieht, der obigen Auffassung. Andere Kommentatoren verstehen den vierten und fünften Vers als nachdrückliche Bestätigung der zwei vorhergehenden Verse; die Wichtigkeit der Aussage soll also durch dieses rhetorische Mittel der Wiederholung besonders hervorgehoben werden. Und eine weitere Erklärung besagt, daß im zweiten Vers - »ich verehre nicht, was ihr verehrt« - die Ausübung des Götzendienstes abgelehnt werde, während durch den vierten Vers - »und ich bin nicht Verehrer dessen, was ihr verehrt« - das Götzentum als solches als schlecht und als nicht vereinbar mit dem Gottesbegriff des Islam dargestellt werde.

Im letzten Vers dieser Sura heißt es:

»Ihr habt eure Religion, und ich habe die meine« Nachdem wir in den vorausgegangenen Versen erfahren haben, daß sich der Gottesbegriff der Gläubigen von dem der Ungläubigen unterscheidet und deshalb auch eine verschiedenartige Anbetung und Verehrung vorliegt, wird nun noch einmal zusammenfassend bestätigt, daß die Reli-gion der Makkaner, die Religion des Unglaubens, von der dem Propheten Muhammad (a.s.s.) von Allah (t) offenbarten Religion des Islam grundverschieden ist. Unglaube und wahrer Glaube werden hier einander gegenübergestellt. Einige Qur'an-Kommentatoren erklären diesen Vers auch mit folgender Bedeutung:

»Ihr bekommt euren Lohn (nämlich das Höllenfeuer als Strafe), und ich bekomme meinen Lohn (nämlich das Paradies als Belohnung). Es gibt also nichts Gemeinsames zwischen dem Propheten Muhammad (a.s.s.) sowie denen, die ihm folgen, und den ungläubigen Mekkanern sowie denen, die ihnen folgen. Der Islam ist ein Weg, und zwar der gerade Weg zum Heil; jede andere Religion ist ein anderer Weg, und zwar ein Irrweg, auch wenn er manchmal Heil bringen mag. Und jeder Irrweg ist nicht gleich der Wahrheit des geraden Weges des Islam: Es ist dem-nach für einen Muslim unmöglich, auch nur einen Schritt auf dem Weg des Unglaubens zu tun; denn entweder beschreitet man den Weg des Glaubens ganz, oder man befindet sich in der Irre. Es gibt deshalb auch keine Religion, auch wenn sie der Wahrheit des Islam nahekommt oder mit ihm einiges gemeinsam hat, mit der man Kompromisse schließen kann. Es gibt nur den Islam in seiner Gesamtheit unter ausnahmsloser Anerkennung all seiner grundlegenden Regeln auf der einen Seite und Abweichen vom rechten Weg auf der anderen Seite, also: alles oder nichts!

Diese Sura hat gerade in der heutigen Zeit ihre besondere Bedeutung, in der so oft vom Dialog zwischen den Religionen die Rede ist, insbesondere zwischen Christentum und Islam. Wir Muslime bringen dem Propheten Jesus (a.s.), den Muhammad (a.s.s.) »seinen Bruder« nannte, aufgrund der qur'ânischen Aussagen über ihn größte Hochachtung entgegen, und der Glaube an ihn und an das ihm von Allah (t) offenbarte Buch, das Evangelium in seiner ursprünglichen Form, ist verbindlicher Bestandteil des islamischen Glaubens. So heißt es in Sura 2 (Al-Baqara, Die Kuh), Vers 135 und 136:

»Und sie sagen: Ihr müßt Juden oder Christen sein, dann seid ihr rechtgeleitet. Sprich: Nein, für uns gibt es nur die Religion Abrahams; er war keiner von denen, (die Allah) andere Götter zur Seite stellen. »Sprich: Wir glauben an Allah und (an das), was (als Offenbarung) zu uns und was zu Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen (Israels) herabgesandt worden ist, und was Mose und Jesus und die Propheten von ihrem Herrn erhalten haben, ohne daß wir bei einem von ihnen (den anderen gegenüber) einen Unterschied machen. Ihm sind wir ergeben (muslimun)<.

Deswegen kann ein Dialog mit anderen Religionen - so begrüßenswert er ist - jedoch nicht heißen, daß ein Muslim auch nur um Haares- breite von den im Qur'an dargelegten Wahrheiten und den Gesetzen des Islam abweicht, denn dies wäre, wie wir gesehen haben, Kufr, Unglaube.

Ebenso ist die Einteilung der Muslime in »altmodische Fundamentalisten« oder »Konservative« einerseits und »aufgeschlossene Modernisten« andererseits aufgrund des Wesens des Islam eine Unmöglichkeit, und eine derartige Unterscheidung zeugt entweder von mangelnder Kenntnis der grundlegenden islamischen Glaubenslehren oder aber von der Verleugnung der einen wahren Religion Allahs (t)- denn entweder ist man Muslim und hält sich an die »Fundamente« seiner Religion, oder man hält sich nicht an sie und wird damit zum Sünder oder gar zum Ungläubigen. Da der Islam als Religion und Lebensweise unverändert geeignet ist für alle

Völker und alle Zeiten, ist es anmaßend und unsinnig, an diese Religion Maßstäbe und Werte wie »konservativ« oder »modern«, »fundamental« oder »aufgeschlossen« anzulegen - Begriffe, die einer ganz anderen Welt mit anderen Normen entstammen. Jeder, der aufrichtigen Herzens Muslim sein will, muß sich daher freimachen von allen Bräuchen, Gewohnheiten, Vorstellungen und Ideen, die dem Wesen des Islam entgegenstehen. Und wer neu zum Islam über-tritt, muß bereit sein, seine frühere Religion mit allem, was dazu gehört, aufzugeben und sich von ihren Vorstellungen innerlich zu lösen, um den Islam als Ganzes anzunehmen, mit allem, was zu ihm gehört; denn der Muslim hat seine Religion, die Religion Allahs (t), und die anderen haben ihre, eine andere Religion, die unser Schöpfer, erhaben ist Er, unmißverständlich verworfen hat.

Lehre

  1. Diese Sura wurde offenbart, als die ungläubigen Mekkaner dem Propheten (a.s.s.) vorschlugen, ihre verschiedenartigen Religionen zu vereinen. Diese Sura enthält die ablehnende Antwort.
  2. Wer Allah (t) nicht als alleinigen und in Sich einen Gott anbetet, ist vor Allah (t) ein Ungläubiger.
  3. Eine andere Religion an sich und deren Ausübung sind mit dem Wesen des Islam unvereinbar.
  4. Eine Verflechtung, auch teilweise, des Islam mit einer anderen Religion ist nicht möglich.
  5. Der Islam ist immer als Ganzes und als Einheit zu sehen; seine Normen bilden ein System, das alle Bereiche des Lebens umfaßt, das für alle Zeiten gilt und das unteilbar ist

Und Allah (t) weiß es am besten!