Originaltext
Sura 111
(© Mürsid 1.0, astec GmbH)
Übersetzung
Die Palmfasern (offenbart in Mekka)
Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen
1. Die beiden Hände von Abu Lahab werden vergehen, und er wird vergehen.
2. Sein Reichtum und was er erworben hat, soll ihm nichts nützen.
3. Bald wird er in ein flammendes Feuer eingehen;
4 Und sein Weib (ebenfalls), die arge Verieumderin.
5. Um ihren Hals wird ein Strick von gewundenen Palmenfasern sein.
Diese mekkanische Sura wird außer Al-Tabbat, »Die Palmfasern«, auch Al-Lahab, »Die lodernde Flamme«, Abu Lahab oder Masad, »Zugrundegehen«,genannt.
Wer war dieser Abu Lahab, von dem und dessen Frau in dieser Sura die Rede ist?
Er war ein Onkel des Propheten väterlicherseits, und sein eigentlicher Name war 'Abdu-l- Uzzâ ibn Abdul-l-Muttalib. Er war in Makka sehr bekannt, nicht nur wegen seines großen Reichtums, sondern auch wegen seines leicht entflammbaren Zorns, und deshalb wurde er allgemein Abu Lahab, »Vater der Flamme«, genannt. Seit der Prophet (a.s.s.) damit begonnen hatte, die Menschen zum Islam aufzurufen, war Aba Lahab einer seiner erbittertsten Gegner, und er nutzte jede Gelegenheit, dem Propheten (a.s.s.), in dessen unmittelbarer Nachbarschaft er in Makka wohnte, und dem Islam Schaden zuzufügen: Er beschimpfte den Propheten (a.s.s.), bezichtigte ihn der Lüge und warf ihm vor, die Menschen in die Irre führen zu wollen. So mag auch sein flammender Eifer bei der Bekämpfung der Muslime zu seinem Spitznamen »Vater der Flamme« beigetragen haben.
Wie ein Hadit der von Al-Buhâri überliefert wird, berichtet, rief der Prophet (a.s.s.) eines Tages die Qurais, denen er selbst angehörte, zu sich und teilte ihnen von einem Hügel aus mit, daß er für sie ein Warner vor gewaltiger Strafe sei. Daraufhin schrie Abu Lahab ihn an:
»Hast du uns aus diesem Grund hier versammelt? Verderben komme über dich!« Da offenbarte Allah (t) diese Sura als Antwort auf das Verhalten Abu Lahabs.
In ihrem ersten Vers heißt es:
»Zugrunde gehen sollen die Hände Abu Lahabs!
Und (auch) er (selbst) soll zugrunde gehen!« In diesem Vers wird also ein Fluch über Abu Lahab ausgesprochen. Im ersten Teil dieses Fluchs werden speziell die Hände Abu Lahabs genannt, weil die meisten Taten mit den Händen verrichtet werden. Gemeint ist damit jedoch die ganze Person - in der arabischen Sprache ist es nämlich gebräuchlich, daß ein beabsichtigtes Ganzes nur durch einen Teil des Ganzen zum Ausdruck gebracht wird. Diese Formulierung begegnet uns auch noch an anderer Stelle im Qur'an, z. B. in der 78. Sura (An-Naba= Die Ankündigung) im 40. Vers:
»Wahrlich, Wir haben euch gewarnt vor einer Strafe, die nahe bevorsteht, an einem Tag, da der Mensch erblicken wird, was seine Hände vorausgeschickt haben«, d. h., was der Mensch an Taten verrichtet hat. Im zweiten Teil des Fluchs ist nun die ganze Person Abu Lahabs genannt. Man kann dies als eine Verstärkung und Bekräftigung des Fluchs ansehen:
»Und (auch) er (selbst) soll zugrunde gehen!« ,nicht nur seine Hände. Andere Qur'an-Kommentatoren sagen, daß nur der erste Teil dieses ersten Verses ein Fluch sei, der zweite aber die Ankündigung der Erfüllung dieses vorausgegangenen Fluchs beinhalte; denn Abu Lahab ist infolge dieses Fluchs wirklich zugrunde gegangen, nicht nur - wie wir noch sehen werden - im Sinne eines jämmerlichen physischen Todes, indem er im Jahre 2 n. H. an einer Pockenerkrankung starb. Nach dieser Interpretation würde die Übersetzung des ersten Verses also lauten:
»Zugrunde gehen sollen die Hände Abu Lahabs!
Und er ist (tatsächlich) zugrunde gegangen.« Wieder andere Kommentatoren sehen in beiden Teilen dieses Verses Aussagen. Danach bedeutet der erste Vers:
»Die Hände Abu Lahabs sind zugrunde gegangen, und (auch) er (selbst) ist zugrunde gegangen.«
Die Vergangenheitsform, in der gemäß dieser beiden letzteren Interpretationen die Aussagen über Abu Lahab formuliert sind, steht dabei nur in scheinbarem Widerspruch dazu, daß Ereignisse angesprochen werden, die zum Zeitpunkt der Offenbarung dieses Verses noch in der Zukunft liegen. Denn es handelt sich dabei um ein Urteil Allahs (t), das Er, Der in Seinem allumfassenden Wissen auch das zukünftige Verhalten Abu Lahabs schon kennt, aufgrund dieses Verhaltens bereits gefällt hatte und das unumstößlich ist; in diesem Sinne »ist« also Abu Lahab bereits ·zugrunde gegangen - auch, wenn die entsprechenden Ereignisse nach menschlichem Zeitverständnis noch gar nicht eingetreten sind.
Die Antwort auf den Kampf Abu Lahabs gegen Muhammad (a.s.s.) ist also ein Fluch Allahs (t), dessen Erfüllung unausweichlich ist. Und während seit über 1400 Jahren jeder Muslim in jedem seiner Gebete Allah (t) um Barmherzigkeit und Segen für den Propheten (a.s.s.) bittet, wird Abu Lahab bis zum heutigen Tag von Muslimen in aller Welt verflucht, nämlich jedesmal, wenn sie diese Sura mit dem Fluch Allahs (t) rezitieren.
Der zweite Vers geht auf den Reichtum Abu Lahabs ein, mit dem dieser sich brüstete. Er meinte, weltliche Güter allein seien eine ausreichende Absicherung für das Leben, wie auch in unserer heutigen, als modern und fortschrittlich bezeichneten Welt viele meinen, ihr Geld als ihren Gott ansehen zu müssen, und nur materialistisch denken können. Dieser Vers erteilt diesem Denken eine eindeutige Absage:
»Nicht soll ihm sein Vermögen nützen, noch was er erworben hat!«
Trotz allen Besitztums ist Abu Lahab dennoch zugrunde gegangen, was sich in diesem Vers auf das diesseitige Leben und diese Welt bezieht. Das arabische Wort mã, das in diesem Vers mit »nicht ( übersetzt wurde, dient aber nicht nur der Verneinung, sondern hat auch die Funktion eines Fragewortes und bedeutet dann »Was«.
Deshalb kann dieser Vers auch mit der rhetorischen Frage übersetzt werden:
»Was hat ihm sein Vermögen genützt und was er erworben hat?« Es wird auch überliefert, daß mit dem, »was er erworben hat«, sein Sohn 'Utba gemeint sei, der Umm Kultum ®, eine Tochter Muhammads (a.s.s.), geheiratet hatte. Als Muhammad (a.s.s.) sein Prophetentum bekanntgab, schied er sich jedoch von ihr und nahm das Christentum an. Im Jahre 8 n. H. trat er dann endgültig zum Islam über.
Nachdem im zweiten Vers der materielle Besitz Abu Lahabs als nutzlos dargestellt worden ist, läßt Allah (t) Abu Lahab im dritten Vers wissen, daß er auch im Jenseits verloren und für das Höllenfeuer bestimmt ist:
»Er wird in einem lodernden Feuer brennen.« Dieser Vers stellt aber nicht nur das unumstößliche Urteil Allahs (t) fest, daß Abu Lahab wegen seines Unglaubens und seines Kampfes gegen den Islam der Strafe des Höllenfeuers unwiderruflich verfallen ist, sondern beinhaltet auch einen klaren Beweis für das Prophetentum Muhammads (a.s.s.). Denn Abu Lahab lebte nach Offenbarung dieser Sura noch einige Jahre, und Muhammad (a.s.s.) konnte von sich aus nicht wissen, ob Abu Lahab noch zum Islam übertreten würde oder nicht - viele Bewohner Mekkas, die den Propheten (a.s.s.) zunächst aufs heftigste gekämpft hatten, wurden später schließlich doch noch Muslime und traten für den Islam mit ihrem Besitz und ihrem Leben ein und stritten für ihn. So mag es sich der Prophet (a.s.s.) auch und gerade für seinen Onkel, trotz dessen erbitterten Kampfes gegen ihn, aus ganzem Herzen erhofft haben. Dadurch, daß Abu Lahab in diesem Vers jedoch die endgültige Strafe des Höllenfeuers bekanntgegeben wurde, wurde es auch als Tatsache hingestellt, daß Abu Lahab bis zu seinem Tode ungläubig bleiben würde, sowohl in seinem Herzen als auch durch öffentliches Bekenntnis. Dieses Wissen konnte Muhammad (a.s.s.) jedoch nur durch die Offenbarung Allahs (t) erlangen, und deshalb ist dieser Vers ein eindeutiger Beweis für Muhammads Prophetentum.
In den letzten beiden Versen wird eine weitere Person angesprochen, nämlich die Ehefrau Abu Lahabs. Es handelt sich um Umm Gamil 'Urwá bint Harb ibn Umalya, die Schwester des prominenten mekkanischen Führers Abu Sufyân, der seinerseits ebenfalls an der Spitze der Feinde des Islam in Makka stand, bis er im Jahre 8 n. H. selbst zum Islam übertrat.
Auch diese Ehefrau Abu Lahabs gehörte zu denen, die den Propheten Muhammad (a.s.s.) aufs heftigste bekämpften und ihm Schwierigkeiten bereiteten, wo sie nur konnten. So trug Umm Gamil eines Nachts Dornengestrüpp zusammen, wie man es als Brennholz verwendete, und legte es auf den Weg zu Muhammads Haus, damit er sich im Dunkeln daran verletzte. Nach anderen Oberlieferungen verbreitete sie Verleumdungen über den Propheten (a.s.s.)- die Worte »Brennholz tragen« in diesem Vers bedeuten in der arabischen Sprache im übertragenen Sinne auch »Verleumdungen verbreiten«, denn Verleumdungen wirken wie Brennstoff und Zunder für die Flamme der Neugier und Sensationslust. Deshalb kann dieser Vers auch mit folgenden Worten übersetzt werden:
»(er) und seine Frau, die Verleumderin«.
Einige Qur'an-Kommentatoren sagen auch, mit »Brennholz tragen« sei in diesem Vers gemeint, Umm Gamil hätte im übertragenen Sinne auf ihrem Rücken eine enorme Sündenlast getragen und somit Brennholz für das Höllenfeuer, das ihr zusammen mit ihrem Mann in diesem Vers prophezeit wird. Andere Kommentatoren erklären diesen Vers dahingehend, daß die Frau Abu Lahabs in der Hölle selbst Brennholz herbeizutragen habe, so wie sie im diesseitigen Leben Verleumdungen unter die Leute trug.
Die Frau Abu Lahabs bekämpfte aber nicht nur selbst den Propheten Muhammad (a.s.s.) und die Muslime, sondern hetzte auch ihren Mann immer wieder gegen sie auf und bestärkte ihn in seinem Unglauben und seinem Widerstand gegenüber dem Islam. Und da sie ihm in dieser Welt geholfen hat, soll sie nach Allahs Willen als Strafe im Höllenfeuer auch an der Seite ihres Ehemannes stehen und das Höllenfeuer für ihn schüren.
Im letzten Vers dieser Sura heißt es:
»Um ihren Hals ist ein Strick aus Palmfasern.« Dieser Strick aus Palmfasern ist eine zusätzliche Erschwernis für die Frau Abu Lahabs, denn jener feine Bast ist besonders leicht entzündbar. U. a. wird auch überliefert, daß Allah (t) es fügte, daß Umm Gamil mit einem Strick erdrosselt wurde und so ihre irdische Strafe fand, während im Jenseits um ihren Hals ein Seil aus Feuer gelegt wird.
Nach einer anderen Oberlieferung hatte Umm Gamil ein prächtiges Halsband aus Juwelen. Sie schwor bei den heidnischen Göttinnen Al-Lât und Al-'Uzzã, dieses Halsband zu verkaufen und das Geld für den Kampf gegen Muhammad (a.s.s.) auszugeben. Als Strafe soll nun beim Jüngsten Gericht anstelle dieser Juwelenkette ein Strick aus Palmfasern um ihren Hals gelegt werden.
Ibn Abu Hatr berichtet, daß Umm Gamil nach der Offenbarung dieser Sura mit einem Stein in der Hand dorthin ging, wo Muhammad (a.s.s.) mit seinem Gefährten Abu Bakr ®, dem späteren ersten Kalifen, zusammensaß. Als Abu Bakr ® sie erblickte, fürchtete er, daß sie Muhammad (a.s.s.) sehen und versuchen konnte, ihm etwas anzutun. Der Prophet (a.s.s.) versicherte ihm jedoch, daß Umm Gamil ihn nicht sehen werde, und begann, Qur'an-Verse zu rezitieren und damit seine Zuflucht bei Allah (t) zu suchen; dazu heißt es in der 17. Sura (Al-'lsrã= Die Nachtreise), Vers 45:
»Und wenn du den Qur'an liest, machen Wir zwischen dir und denen, die nicht an das Jenseits glauben, eine unsichtbare Scheidewand.« Als die Frau Abiu Lahabs nun bei Muhammad (a.s.s.) und Abu Bakr ® ankam, konnte sie in der Tat den Propheten (a.s.s.) nicht sehen - denn sie sprach nur Abu Bakr an und beschwerte sich, daß der Prophet (a.s.s.) sie verspottet und lächerlich gemacht hätte, was Abu Bakr ® entschieden zurückwies. Nach Ibn Ishaq soll sie außerdem sogar gedroht haben, dem Propheten (a.s.s.) mit dem mitgebrachten Stein auf den Mund zu schlagen.
In dieser Sura zeigt sich, daß der Kampf gegen den Islam wie ein Bumerang wirkt. Das deutsche Sprichwort: »Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein« findet hier eine ein- drucksvolle Bestätigung und gibt Anlaß zum Nachdenken über die Kraft des Islam und seinen Sieg und die Stärke der aufrichtigen, wahren Muslime, denn ihr Beschützer ist Allah (t), und keine Intrige und kein Angriff der Gegner des Islam kann diesen Schutzwall durchbrechen.
Lehre
Und Allah (t) weiß es am besten!