Ibn Ruschd
Von Dr. Asadullah Yate

Wenn wir von Ibn Ruschd sprechen, müssen wir daran erinnern, dass er – wie so viele andere großen Männer des Islam – nicht nur das geistige, philosophische und kulturelle Niveau seiner Umgebung gehoben hat, sondern auch in der Etablierung von Gerechtigkeit in der Gesellschaft aktiv war.

Ein Leben voller Vision, geboren aus der Tradition

Muhammad ibn Ahmad ibn Muhammad ibn Ahmad ibn Ahmad ibn Ruschd, bekannt als Abul-Walid, wurde 520 in Cordoba, Spanien, geboren. Er war der Enkel des großen Maliki-Gelehrten Muhammad ibn Ahmad. Er überlieferte Hadith von seinem Vater Abul-Qasim, bei dem er die Muwatta Imam Maliks auswendig lernte. Sein Titel eines Hafis deutet darauf hin, dass er auch den Quran auswendig kannte. Er studierte die Gebiete des Rechts (furu), die Grundlagen der Jurisprudenz (usul al-fiqh) und die Philosophie (falsafa) bei verschiedenen Lehrern. Von Abu Abd Allah al-Maziri erhielt er eine Lehrerlaubnis, und er übermittelte sogar Hadithe von Qadi Ajad. Verschiedene Biographen erwähnen seine Brillanz in der Wissenschaft der rechtlichen Unterschiede (khilaf). Während er die traditionelle Bindung seiner Familie zum Recht fortsetzte, unterschied er sich jedoch von seinen Vorfahren dahingehend, dass er sich auch der Wissenschaft der Medizin und der Philosophie widmete. Dies beeinträchtigte seine Beschäftigung mit dem Recht jedoch nicht: er schrieb das umfangreiche "Buch der Pilgerreise" (584), und er war "mit Fleiß und Sorgfalt" als Richter tätig, bis er am Ende seines Lebens selbst vor Gericht stand.

Viele Biographen schreiben ihm perfekte Meisterschaft der "alten Wissenschaften" zu. Sie sind sich alle einig in ihrem Lob seiner Höflichkeit, Freundlichkeit, Großzügigkeit und Bescheidenheit. Wir erfahren, dass Ibn Ruschd eine starke Persönlichkeit hatte, klare Urteile fällte und einen scharfen Intellekt besaß. Wie sein Vater und sein Großvater wurde auch er Richter, zuerst in Sevilla (565) und später in Cordoba (die erste Berufung im Jahre 567 und die zweite 578), wo er für seinen Eifer berühmt war. Diese hochangesehene Tätigkeit wurde die Beschäftigung, für die Ibn Ruschd bei seinen Zeitgenossen und bei späteren Biographen am besten bekannt war. Wir erfahren von Ibn Abi Usaybia, dass einige seiner Söhne sich auf dem Gebiet des Rechts auszeichneten und ebenfalls Richter wurden.

Während des größten Teils seines politischen Lebens genoß er außerordentlich gute Beziehungen zu den Khalifen der Almohaden-Dynastie: zuerst mit Abd al-Mumin (527-58), dann mit dessen Sohn Abu Yaqub Yusuf (558-80). Diese Khalifen verwandten einen Großteil ihrer Energie auf die Fortführung der reformistische Bewegung, die mit Ibn Tumart begonnen hatte (dem militärischen und geistigen Führer, der die Macht der Almorawiden herausforderte), und sie vereinnahmten Ibn Ruschd für diese Bewegung, indem für den höchsten Posten seines Gebietes bestimmt wurde: er trat die Nachfolge Ibn Tufails als Leibarzt Abu Yaqubs im Jahre 578 an, dem Jahr, in dem er oberster Richter von Cordoba wurde. Er wird gelobt für die gerechte Administration dieses Richteramtes. Er verbrachte viel Zeit und Energie mit Reisen durch die Gebiete der Almohaden im Dienst von Abu Yaqub.

Ibn Ruschd blieb jedoch auch weiterhin dem Schreiben und der Wissenschaft gewidmet, trotz der Störungen und der Mühsal, die ihm dieser Dienst zuweilen einbrachte. Von seinen Biographen wird er dafür gerühmt, seinen Einfluß nicht zu seinen eigenen Gunsten eingesetzt zu haben, sondern zugunsten seiner Region im speziellen und für den Rest Andalusiens im allgemeinen. Sie berichten auch, dass er sich sowohl in Gesellschaft des Sultans als auch in Gesellschaft der einfachen Leute wohlfühlte. Ibn Ruschds Einfluß war von einer Art, dass er zum theologischen, ideologischen und philosophischen Sprecher der neuen Dynastie wurde.

Er starb in Marrakesch im Jahre 595, wo man ihn vorübergehend begrub, bevor er nach drei Monaten nach Cordoba überführt wurde. Ibn Arabi hat uns in seinem al-Futuhat al-makkiyya den Bericht eines Augenzeugen von diesem zweiten Begräbnis gegeben. Wenn ein Gefährte beschreibt, dass Ibn Ruschds Sarg auf dem Rücken des Esels von den Werken seines Lebens in Waage gehalten wird, so findet Ibn Arabi diesen Moment von tiefer Bedeutung, und er ruft aus: "Oh, wäre es doch, dass Ich wüßte, ob er seine Ziele erreicht hat".

Seine Wissenschaft und seine Lehrtätigkeit

Ibn Ruschd war ein emsiger Gelehrter, der zahlreiche Schriften über die Quranischen und die Naturwissenschaften hervorbrachte.

Es existieren zahlreiche Berichte über seine Beherrschung der arabischen Sprache, und er konnte eindrucksvolle Predigten in der städtischen Moschee halten. Er kannte die Dichtung von al-Mutanabbi und Abu Tammam auswendig und rezitierte sie häufig, um einen Sachverhalt näher darzustellen oder seine Studenten anzuregen. Er war ein einflußreicher Lehrer des Fiqh, und zahlreiche Gelehrte seiner Zeit studierten bei ihm. Sein Zuhause war laut einem seiner Biographen "ein Haus des Wissens und der Riyasa" – die letztere Qualität deutet darauf hin, dass ihm "vollblütige Qualität und Stärke, Ausgezeichnetheit, Überlegenheit und Führung, Nobilität, Schnelligkeit im Angriff, Mut und Einzigartigkeit" zueigen waren. Die Menschen befragten ihn über medizinische Behandlungen wie auch über seine rechtlichen Urteile, und er gab Rat mit "reichlich Äußerungen, Höflichkeiten und Weisheit".

Sein Exil

Im Jahre 593 nahm das Schicksal Ibn Ruschds eine dramatische Wendung. Sein Prozeß oder seine Prüfung zieht die Aufmerksamkeit und Vorstellungskraft all seiner Biographen auf sich und nimmt oft einen großen Teil ihrer Werke ein.

Laut Ansari trat dieses "böse Unglück" 593 auf. Wir hören von dem Geschichtsschreiber Abul-Hajjaj b. Umar – der offensichtlich ein Verteidiger Ibn Ruschds ist –, dass für längere Zeit starke Gefühle der Feindseligkeit zwischen ihm und bestimmten Leuten in Cordoba existierten und dass die Ursache für diese Feindseligkeiten Neid und Rivalität waren. Die Gebildeteren unter ihnen, so wird uns berichtet, begannen Teile seiner Schriften zu kritisieren und interpretierten sie als klaren Beweis dafür, dass er von der "Sunna der Scharia" abgewichen sei und "das Naturrecht" bevorzuge. Um ihre Beschuldigungen zu unterstützen, schoben sie zahlreiche Worte und Passagen in seine Texte ein. Abul-Hajjaj fährt fort zu beschreiben, wie sie wiederholte Anstrengungen unternahmen, um den Khalifen Abu Yusuf auf ihre Seite zu bringen, und wie dieser ihnen zuerst keinerlei Aufmerksamkeit schenkte, beschäftigt wie er war mit den Vorbereitungen für den Krieg gegen die Christen im Norden. Als der Khalif jedoch schließlich selbst von den Leuten in Cordoba kritisiert wurde, vermutlich, weil er nicht auf die Verleumder Ibn Ruschds gehört hatte, erneuerten die letzteren ihre Verschwörung und ihr Planen; in öffentlichen Versammlungen interpretierten sie seine Schriften im schlechtmöglichsten Licht. Dies geschah in einem solchen Ausmaß, dass die Menschen sich gezwungen fühlten, herauszukommen und die wahre Lehre vom Islam zu verteidigen. Schließlich gab der Khalif nach. Trotz der Härte der Vorwürfe war er widerwillig, das Todesurteil auszusprechen. Statt dessen befahl er den Talaba und den Fuqaha, sich in der Hauptmoschee zu versammeln, um öffentlich zu erklären, dass Ibn Ruschd von der Religion abgewichen sei; er verbannte dann Ibn Ruschd in ein Dorf al-Yassana. Al-Dhahabi zitiert den "Schaikh der Schaikhs" Tadsch al-Din wie folgt: "als ich das Land betrat, erkundigte ich mich nach Ibn Ruschd, und mir wurde gesagt, dass er auf Befehl des Khalifen Yaqub unter Hausarrest stehe und dass niemand ihn sehen solle und dass er niemanden besuchen solle. Als ich fragte warum, antworteten sie: böse Aussagen wurden ihm zugeschrieben, und ihm wurde die Beschäftigung mit den verbotenen Wissenschaften der Antike vorgeworfen." Der Khalif vergab ihm jedoch bald, nachdem eine Abordnung der Aristokratie Sevillas bezeugt hatte, dass Ibn Ruschd fälschlich beschuldigt worden war: der Khalif, so erfahren wir, zog alles zurück, was er im Prozeß bekannt hatte, und wandte sich erneut der Philosophie zu; er lud Ibn Ruschd ein, zurückzukehren, um die Dinge klarzustellen, und dieser kam wieder zum Gericht".

Es gibt andere Interpretationen darüber, wieso die Loyalität des Khalifen schwankte: die meisten, wie Ansari und Marrakushi, nehmen an, dass es mit der langanhaltenden Feindseligkeit bestimmter einflußreicher, aber fehlgeleiteter Männer gegenüber Ibn Ruschd zu Tun hatte; andere glauben, der Khalif stand unter Druck, die Gunst der Maliki-Ulama wiederzuerlangen; wieder andere zitieren persönliche Gründe, nämlich dass Ibn Ruschd den Khalifen durch seine Nähe zu dessen Bruder Abu Yahya verärgert hätte oder dass er den Khalifen in bestimmten Schriften beleidigt hätte; schließlich sagen einige, dass der Khalif verpflichtet war, auf diese Weise zu handeln, weil Ibn Ruschd öffentlich beschuldigt worden war, sich mit "der Weisheit und Wissenschaft der Antike" zu beschäftigen.

Die öffentliche Verbannung Ibn Ruschds, des obersten Richters, in Anwesenheit des Khalifen und der einflußreichsten Männer des Staates war ein großes politisches Ereignis. Es war jedoch keine isolierte Attacke: Verfolgung von Philosophen fand überall in der islamischen Welt in dieser Zeit statt. Ibn Ruschds Ansehen als Richter und Jurist überlebte diese zeitweilige Schande. Trotz seiner harten Verdammung der Philosophen ist Ibn Arabi, der einige Zeit nach dem Tode Ibn Ruschds in Mekka schreibt, äußerst großzügig in seinem Lob der Anwendung des Rechts durch Ibn Ruschd. Ibn Arabi sagt in seinem Futuhat, dass er zu den "gebildetsten Menschen in Hinsicht auf den erhabenen Rang der Propheten gehört, zu den hartnäckigsten in Festhalten an der Sunna des Gesandten, möge Allah ihm Frieden und Segen geben, zu den wachsamsten im Schutz der Sunna, mit Wissen darüber, was der Majestät der Wahrheit gebührt". Er beschließt seine Darstellung, indem er wiederholt, dass Ibn Ruschd anerkannte, dass es bestimmte von Allah bevorzugte Personen gibt, die Wissen aus der göttlichen Aussendung erhalten, anstatt es durch Lernen zu erwerben. Maqqari aus dem 11. Jh. sagt, indem er einen Geschichtsschreiber des 7. Jh., Ibn Said, zitiert, dass Ibn Ruschd und sein Sohn beide "scheinende Himmelskörper des Vertrauens und helle Lampen der religiösen Bräuche, die von unserem heiligen Propheten begründet wurden, waren".

Ibn Ruschd: seine Bedeutung für die Anwendung des Din in einer Welt der Technik

In seinem kurzen Werk Fi hukmi ma bayna ash-shariati was hikmati minal-ittisal demonstriert Ibn Ruschd mittels rechtlicher Beweise aus dem Quran und der Sunna die Notwendigkeit für den Muslim, alles menschliche Wissen in das Lebensmuster der Umma aufzunehmen: Wissen, so zeigt er, ist ein Geschenk von Allah, das er frei spendet, sowohl an den Kafir als auch an den Muslim. Ibn Ruschd weist den Gläubigen auf die Wissenschaften hin, die von den Griechen beherrscht und übermittelt wurden – Wissen, das in der Zeit Ibn Ruschds von den Muslimen abgelehnt, bald darauf jedoch von den Christen aufgenommen wurde und was in der technologischen Blüte Europas resultierte. Ibn Ruschds vorsichtiges Einfügen dieser Wissenschaften innerhalb der Parameter der Scharia und der erlaubten Aqida wurde seit dem Ende des Europäischen Bürgerkrieges in diesem Jahrhundert nicht weiter beachtet, und ein tyrannischer wucherischer Technologiestaat ist im Ergebnis entstanden. Nur eine Rückkehr zu einer Technik, die den Parametern des Din unterworfen ist, wie sie von Ibn Ruschd dargestellt wurden, wird Europa vor der monströsen Logik einer wissenschaftlichen Methodologie bewahren, die den Menschen und seine Umgebung zu Zahlen, Meßgrößen und Statistiken reduziert zugunsten von Effizienz, Fortschritt und Produktion.

Ibn Ruschd: seine Bedeutung für den Handel und die Märkte im Islam heute

Die Maliki-Fuqaha waren immer besonders darum bemüht, die wirtschaftlichen Transaktionen zu reinigen. Ibn Ruschd hat die Rahmenbedingungen für gerechten Handel in seinem Rechtshandbuch Bidaja al-Mudschtahid analysiert, ein Werk, das während der Osmanischen Zeit einen hohen Stellenwert hatte. Dieses Rechtsbuch wurde während der Zeit der Muwahidun im muslimischen Spanien geschrieben. Es stammt aus einer Zeit, die von der Wissenschaft der Ökonomie und von der europäischen Gesellschaft noch unberührt war. Wir erkennen daraus das große Anliegen des Juristen, jede Art der Ungerechtigkeit in wirtschaftlichen Transaktionen auszumerzen. Zu den Ungerechtigkeiten jener Zeit gehörte der Wucher – das Wort hier in seinem ursprünglichem Sinne benutzt –, nämlich jede ungerechtfertigte Erhöhung die einer Partei entsteht ohne den entsprechenden Gegenwert in Gütern oder Arbeit.

Was diese Menschen antrieb, war die genaue Achtung der Gleichheit: was von einer Seite gegeben wurde, mußte im Wert mit dem von der anderen Seite gegebenen übereinstimmen. Wenn es diese Gleichheit in der alltäglichen Transaktion der Händler nicht gab, dann war das Gleichgewicht der Gesellschaft selbst in Gefahr.

Der Wucher war in jener Zeit als das schmutzigste Verbrechen angesehen, und er wurde nicht in der offensichtlichen und schamlosen Weise betrieben, wie es heute der Fall ist. Die Juristen waren in der Regel lediglich damit beschäftigt, jene Transaktionen aufzudecken, durch die die Absicht verfolgt wurde, Allahs Verbot des Wuchers zu umgehen, bzw. Transaktionen, in die unabsichtlich Elemente des Wuchers durch eine oder beide Partner eingeführt worden waren. Dennoch war es zur Zeit der Muwahidun in Ibn Ruschds Augen bereits zu einem größeren Problem geworden, so dass er eine spezielle Abhandlung zu dem Thema verfaßte, worin er die Fragen bis ins Detail untersucht. Der Titel dieser Abhandlung beschäftigt sich nicht nur mit einer Analyse des Phänomens, sondern er setzt es auch in einen gesellschaftlichen Rahmen: Über die Gesetzgebung hinsichtlich ungerecht erworbenen Reichtums, krimineller Gouverneure und Verwalter und jene, die zur Kategorie der Wucherer gehören, korrupter Personen u.ä.. Ibn Ruschd bestand – wie alle Juristen vor ihm – auf der sozialen Bedeutung dieser Frage: "es geht aus dem Gesetz eindeutig hervor, dass der Zweck des Verbotes des Wuchers die Verhinderung von Betrug ist, die dem Wucher folgt, und die Gleichheit in den Transaktionen, die darin besteht, dass die getauschten Waren von gleichem Wert sind". Er weist auf den wirklichen und eigentlichen Zweck des "Geldes" hin – und dabei spricht er offensichtlich nur von Goldmünzen (Dinars) und Silbermünzen (Dirhams), nicht von Banknoten: "Da es schwierig ist, Gleichwertigkeit zwischen Dingen unterschiedlichen Wesens herzustellen, sind Dinar und Dirham eingeführt worden als ein Mittel, ihnen Preise zuzumessen, oder mit anderen Worten, sie zu bewerten." Dieser Gebrauch des Geldes ist wiederum Gegenstand des Zieles sozialer Gerechtigkeit: "Wenn Dinge in ihrem Wesen verschieden sind, d.h., nicht nach Maß und Gewicht verkauft werden, dann kann die Gleichheit in einer entsprechenden Beziehung gefunden werden: der Wert eines Dinges im Verhältnis zu seiner Art muß gleich sein dem Wert des anderen Dinges im Verhältnis zu seiner Art."

Wie schwierig eine wucherische Transaktion auch scheinen mag, es gibt darin immer das zugrundeliegende Element von Gewinn für eine Seite und Verlust für die andere: jene, die solche Aktivitäten verfolgen "zahlen Geld aus und erhalten mehr zurück, ohne irgendetwas zu tun oder eine Verantwortung zu übernehmen".

Ibn Ruschd listet acht "Prinzipien" auf, die allen zu seiner Zeit möglichen verschiedenartigen wucherischen Transkationen zugrunde liegen: 1) eine Transaktion, die durch den Ausspruch charakterisiert ist: "Gib mir Frist für die Zahlung, und ich werde den Rückzahlungsbetrag erhöhen"; 2) ein Verkauf mit verbotener Ungleichheit; 3) ein Verkauf mit verbotener verzögerter Zahlung; 4) ein Verkauf, der an einen Kredit gebunden ist; 5) ein Verkauf von Gold und Ware für Gold; 6) das "reduziere den Betrag für sofortige Begleichung"; 7) der Verkauf von Nahrungsmitteln, die noch nicht vollständig erhalten worden sind; 8) oder der Verkauf, der an eine Gebühr gebunden ist.

Ibn Ruschd zitiert "den Schutz des Reichtums und die Verhinderung der Verschwendung" als einen Faktor in Imam Maliks Begründung für das Verbot wucherischer Transaktionen; er erwähnt auch Ibn al-Madschischuns Beachtung für "die Zweckmäßigkeit in Fragen des Eigentuns" und die Erklärung des letzteren, dass "der Grund für das Verbot des Wuchers in der Erhaltung des Eigentums liegt (hiyatat al-amwal), mit anderen Worten, damit Betrug verhindert wird".

In den abschließenden Bemerkungen zu der Bidaya hebt Ibn Ruschd hervor, dass der Ursprung aller Transaktionen, die vom Recht geregelt sind, die Etablierung und Erhaltung menschlicher Tugenden auf einer sozialen und menschlichen Ebene ist; die Tugend in diesem Falle ist die der Gerechtigkeit. Der Weg der Muslime, die Scharia, stellt eine Vielfalt von Verhaltensmustern oder Sunnas dar. Das Verbot des Wuchers und der Spekulation gehört zu den Sunnas, die sich "auf das Erstreben der Gerechtigkeit und die Verhinderung von Unterdrückung beziehen: das sind die Sunnas, die Gleichheit in finanziellen Fragen und Gerechtigkeit unter den Menschen fordern."

Aus dem oben gesagten und den Beispielen geht klar hervor, dass das Wort "Wucher" eine viel weitere Definition hat, als man sie in modernen Wörterbüchern findet: Wucher kann demzufolge in fast jeder Transaktion auftreten: reine Verkäufe, Tauschgeschäfte, Geldwechsel, Spekulation, Pachten von Land für einen Anteil seiner Produkte und die Kontrolle durch Monopole beispielsweise sind alle Gegenstand des Verbotes des Wuchers. Für uns ist bedeutsam, dass parasitische dritte Parteien, staatliche Steuerbehörden und äußerst abwegige Praktiken der Händler untereinander nirgends in der muslimischen Handelswelt zu finden waren – bis hin zum Zeitalter der "Ökonomie": es gab keine Geldverleiher, keine Banker, keine Spekulanten, keine Börse, keine Schuldscheine, keine Lotterien, keine Versicherungsvertreter. Die Juristen operierten innerhalb einer im Grunde gesunden Gesellschaft, in der die Säulen gesunden Handels etabliert waren, nämlich freier Zugang zu Gold und Silber als Währung und das Recht, das Tauschmittel selbst zu bestimmen, frei von der Tyrannei des Papier-, Plastik- und Computergeldes, frei vom Monopol des Bankensystems, das heute alle finanziellen und politischen Transaktionen beherrscht.

Die erneute Möglichkeit zur Umsetzung der Lehren Ibn Ruschds in der heutigen Zeit

Ibn Ruschd war ein Freund von drei Almohaden-Khalifen, ein Mann, dessen einer Lehrer Ibn Tufayl war, der Autor von Hajj bin Jaqzan, ein Mann, der gegen Ende seines Lebens den Schaikh al-Akbar, Muhiddin ibn Arabi traf, mit dem er eine erstaunliche geistige Begegnung hatte. Er war ein Mann, der nicht nur das theologische Wissen beherrschte, sondern auch jene Gebiete des Wissens, die von den Griechen ererbt waren und die später ihre Blütezeit darin erlebten, was wir als Wissenschaft und Technik kennen. Er war auf eine Art ein Tor zum Osten und zum Westen; der Zwischenraum zwischen der klassischen Vergangenheit und der Zukunft, die sich im Namen des Fortschrittes entfaltete: er war als ein Filter tätig, indem er die lebendige "heidnische" Wissenschaft der griechischen Weisheit als ganzes für die Muslime reinigte, verarbeitete, anpaßte und verbreitete. Er war ein starker und gesunder Mensch: er war der Leibarzt der Almohaden, Autor des berühmten Buches Kullijat, das von den europäischen Ärzten bis ins 17. Jh. hinein benutzt wurde. Er war der Hauptphilosoph seines Zeitalters, aber ein Philosoph mit direktem Zugang zur politischen Macht und zu den Anliegen der Menschen. Er war der oberste Richter und als solcher verantwortlich für die Einsetzung aller Richter der Almohaden. Sein Leben, sein Verhalten, sein Sein stellten sicher, dass die "Technik" der Griechen innerhalb eines gesunden und menschlichen Rahmens blieb; seine Lebensweise war nichts anderes als das Lebensmuster, die Sunna des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben. Die Trennung des Technologischen vom natürlichen Verhaltensmuster von Mann und Frau resultiert, wie Heidegger es demonstriert hat und wie die Ereignisse dieses Jahrhunderts gezeigt haben, in der Erstickung und Unterwerfung der Gesellschaft durch das gegenwärtige technische Gestell.

Quelle: Islamische Zeitung

@ Ekrem Yolcu

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