Die 'Umaijaden

Über den dynamischen Islam in den ersten zwei Jahrhunderten - Wie Khalifen die Sicherung und Expansion des Dins schützten

Die Verlegung der Macht nach Damaskus, der ummaijadischen Hauptstadt, sollte einen einschneidenden Einfluss auf die Entwicklung der islamischen Geschichte haben. Erst einmal war es eine stillschweigende Anerkennung des Endes einer Ära. Die ersten vier Khalifen waren ohne Ausnahme Gefährten des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, Männer voller Iman und Aufrichtigkeit, die nicht anders als ihre Nachbarn ihr Leben geführt haben und die, trotz des unglaublichen Einströmens von Reichtum aus den eroberten Gebieten, die einfachen Gewohnheiten ihrer Vorfahren beibehielten. Ihr eigentliches Ziel war eher die nächste Welt als diese. Mit dem Wechsel nach Damaskus änderte sich viel.

In den frühen Tagen des Islam ruhte die Ausweitung islamischer Herrschaft auf dem einfachen Wunsch, das Wort Allahs zu verbreiten. Obwohl die Muslime Kraft verwendeten, wenn sie auf Widerstand stießen, zwangen sie ihre Feinde nicht, den Islam anzunehmen. Die Muslime erlaubten den Christen und Juden, ihre jeweilige Religion zu praktizieren. Zahlreiche Übertritte zum Islam waren das Ergebnis einer Darstellung des Dins, die zugleich einfach und inspirierend war.

Mit den 'Umaijaden jedoch nahmen säkulare Notwendigkeiten und die Probleme, die in der Verwaltung beinhaltet waren, zu. Das große Herrschaftsgebiet und die riesiegen Menschenmassen begannen daher als solche die Aufmerksamkeit der Khalifen zu bestimmen - oft auf Kosten religiöser Überlegungen. Dies war eine, von den Khalifen nicht gewünschte. Entwicklung, die für viele Muslime störend war. Dies soll nicht heißen, dass die Werte des Islam ignoriert wurden, im Gegenteil, sie nahmen über die Jahrhunderte an Stärke zu. Aber sie standen nicht immer an der Spitze und seit der Zeit von Mu'awijas Rolle als Khalif wurde der "Verteidiger des Dins" immer mehr gezwungen, sich mit rein säkularen Sorgen auseinanderzusetzen, die in allen Nationen den größten Teil der Geschichte dominieren.

Mu'awija, selbst ein respektierter Gefährte des Propheten, war ein fähiger Verwalter und selbst seine Kritiker kamen nicht umhin, anzuerkennen, dass er insbesondere die hochgeachtete Eigenschaft des Hilm besaß, eine Eigenschaft, die als Zurückhaltung und Nachsicht definiert werden kann. Diese beschrieb er selbst einmal mit folgenden Worten:

"Ich wende mein Schwert nicht an, wenn die Peitsche genügt, noch meine Peitsche, wenn meine Zunge ausreichend ist. Und sollte es nur ein Haar geben, welches mich mit meinen Mitmenschen verbindet, so laß ich dieses nicht abreißen. Wenn sie ziehen, gebe ich nach und wenn sie nachgeben, dann ziehe ich."

Trotzdem sollte es Mu'awija nie gelingen, die Gegner seiner Herrschaft zu befrieden, oder den Konflikt mit aufständischen Schi'iten und Khawaridsch beizulegen. Während seiner Herrschaft waren diese Probleme noch nicht unlösbar, aber nach seinem Tod im Jahre 680 nahmen die Partisanen der Schi'a einen komplizierten, aber zähen Kampf auf, der die muslimische Autorität in ihrem Stammland über die nächsten siebzig Jahren plagen sollte und sich auch nach Nordafrika und Spanien hin ausbreitete.

Es gelang jedoch den Khalifen der 'Umaijaden, besonders nachdem 'Abdalmalik ibn Marwan 685 Khalif wurde, eine gewisse Stabilität zu erreichen. Wie auch die Khalifen, die nach ihm kamen, war 'Abdalmalik gezwungen, einen wesentlichen Teil seiner Herrschaft politischen Problemen zu widmen. Aber er führte auch dringend benötigte Reformen ein. Er überwachte die Reinigung und Wiedereröffnung der Kanäle, die das Tal von Euphrat und Tigris bewässerten. Dies war der Schlüssel zum Wohlstand Mesopotamiens. Er führte den Gebrauch indischer Wasserbüffel und die sumpfigen Niederungen der Flüsse ein, er - dies ist besonders wichtig - münzte die ersten standardisierten muslimischen Münzen, die die im Umlauf befindlichen Münzen Byzanz und der Sassaniden ablösten. Auch entwickelte er ein Vorbild für die später verfeinerte Bürokratie der 'Abbasiden und ihrer Nachfolgerstaaten. Es gab besondere Einrichtungen, die mit der Führung der Entlohnungsregister beauftragt worden waren. Andere dienten der Einsammlung der im Islam sanktionierten Abgaben. 'Abdalmalik entwickelte ein System der Postrouten, um die Kommunikation in seinem ausgedehnten Herrschaftsgebiet aufrechtzuerhalten. Am wichtigsten jedoch war seine Einführung des Arabischen als Sprache der Verwaltung, welches Griechisch und Pahlavi (Mittelpersisch) ersetzte.

Unter 'Abdalmalik erweiterten die 'Umaijaden die Macht des Islam noch weiter. Im Osten dehnten sie ihren Einfluß nach Transoxanien im Gebiet des Flusses Oxus aus und machten sich auf den Weg, die Grenze Chinas zu erreichen. Im Westen nahmen sie Nordafrika. Die Bewegung dazu wurde von Sidi 'Uqba ib Nafi' gestartet, der die Stadt Kairouan - im heutigen Tunesien gelegen - gründete. Von dort ritt er den ganzen Weg bis an die Ufer des Atlantischen Ozeans.

Ihre Gebietserweiterungen brachte die Araber in Kontakt mit vorher unbekannten Volksgruppen, die den Islam annahmen und später den Laufe der islamischen Geschichte beeinflussten. Die Berber Nordafrikas z.B., die sich zuerst arabischer Herrschaft widersetzten, nahmen später den Islam willentlich an und schlossen sich Musa ibn Nusair und seinem General, Tariq ibn Zijad, an, als diese die Strasse von Gibraltar überquerten. Später gingen in Nordafrika von den Berbern bedeutende Bewegungen aus, die eine große Bedeutung für die dortige islamische Zivilisation hatten.
Im Osten brachte die ummaijadische Herrschaft die Araber in Kontakt mit den Türken, die - wie die Berber - im Laufe der Zeit den Islam annahmen und zu seinen zuverlässigsten Verteidigern werden sollten. Die muslimische Expansion unter den 'Umaijaden reichte bis an die Grenzen Indiens, dessen Literatur und Wissenschaften die islamische Kultur um vieles bereicherte.

Währenddessen gelangten die Muslime nach Spanien und erreichten nach ihrem vollständigen Sieg über die Westgoten im Jahre 713 Narbonne im heutigen Frankreich. In den darauffolgenden Jahrzehnten stießen Grenztruppen regelmäßig tief nach Frankreich vor und erreichten 732 das Tal der Loire, wie sie in der Schlacht von Tours, oder Poitiers, endgültig von den Franken unter dem Kommando von Karl Martell zurückgedrängt wurden.

Einer der Khalifen der 'Umaijaden, der eine überragende Größe und Bedeutung erreichte, war 'Umar ibn 'Abd al-'Aziz, ein Mann, in dem die guten Eigenschaften seiner Familie in reinster Form hervortraten. Obwohl seine Familie zumeist in Syrien beheimatet war, wurde 'Umar ibn 'Abd al-'Aziz in Medina geboren und wuchs dort auch auf. In Medina kam er in Kontakt mit den hochgebildeten und angesehenen Männern der Nachfolgergenerationen, die in ihm die Sorge um spirituelle und politische Werte vermittelten. Nicht ohne Grund hatte später Imam Malik, der große Lehrer Medinas, die rechtlichen Urteile von 'Umar ibn 'Abd al-'Aziz in seine Muwatta', der ersten Formulierung islamischen Rechts, mit einbezogen. Aus diesen Gründen mussten diejenigen Kritiker, die die Khalifen zuvor regelmäßig angriffen, beim Anblick des Khalifen 'Umar ibn 'Abd al-'Aziz verstummen.

In seiner Regierungsführung war er immer bemüht, nach dem Vorbild des zweiten Khalifen, 'Umar ibn al-Khattab, zu handeln. So schaffte er z.B. mit Begründung des Vorbildes von 'Umar ibn al-Khattab die Kopfsteuer für neue Muslime ab. Selbst die zahlreichen Feinde seiner Regierung und seiner Familie kamen nicht umhin, seine Amtsführung und seine Eigenschaften zu loben.

Der letzte bedeutende Khalif aus dem Hause der 'Umaijaden war Hischam, der vierte Sohn von 'Abd al-Malik. Sein ungewöhnlich lange Herrschaft reichte von 724 bis 743. Eine Zeit, in der das Herrschaftsgebiet des Islams seine grösste Ausdehnung erreichte. Tragischerweise gelang es weder ihm, noch den folgenden vier Khalifen, die heraufziehende Katastrophe zu sehen, noch auf diese erfolgreich zu reagieren.

Im Jahre 747 entrollten Aufständische im persischen Khurassan die schwarze Fahne der Rebellion, unter der sich all jene Elemente versammelten, die in den ersten hundertfünfzig Jahren muslimischer Herrschaft durch das islamische Recht beschränkt worden waren. Zu ihnen gehörte eine ganze Reihe von abweichenden, sich eigentlich ausschließenden Sekten, aber auch jene Stämme, die von der rechtmäßigen Rechtsprechung zuvor bestraft worden waren.

Die Rebellion wurde von einer Geheimorganisation vorbereitet, der es gelang, den letzten Khalifen der 'Umaijaden, Marwan ibn Muhammad, und die loyalen Truppen Syriens zu besiegen und so die Macht an sich zu reißen.

Obwohl seitdem immer wieder versucht worden war, die bedeutende Familie der 'Umaijaden zu diffamieren, so haben die großen 'Ulama der Sunnah immer wieder die hervorragende Qualität dieses Stammes hervorgehoben. Da sie zur Elite der Quraisch gehörten, waren sie überall hochangesehen. Nicht umsonst haben daher die ersten beiden Khalifen des Islam, Abu Bakr as-Siddiq und 'Umar ibn al-Khattab, möge Allah mit ihnen beiden zufrieden sein, viele Gouverneure und 'Amire aus dieser Familie bestimmt.

Vielfach bestand die Gegnerschaft zu den 'Umaijaden aus jemenitischen Partisanen, die ihnen die noble Abstammung neideten und die selbst nicht durch hervorragende Leistungen und Eigenschaften glänzen konnten.

Die neuen Herrscher zögerten keinen Augenblick. Nicht nur ließen sie denjenigen Mann, dem sie ihren Aufstieg zu verdanken hatten, Abu Muslim al-Khurassani, nach der Machtübernahme ermorden, auch überantworteten sie die gesamte restliche Familie der Banu 'Umaija dem Schwert. Nicht nur Männer wurden getötet, sondern die meisten Familien der 'Umaijaden hörten auf, zu existieren.

Aber nicht alle 'Umaijaden wurden getötet; es gelang einem jungen Prinzen mit Namen 'Abd ar-Rahman ibn Mu'awija nach jahrelanger Flucht, die seinem jüngeren Bruder, der ihn dabei begleitete, den Tod brachte, nach Nordafrika zu fliehen. Dort angekommen, baten ihn die verschiedenen zerstrittenen Fraktionen des muslimischen Spaniens, die damalige Anarchie zu beenden und die Herrschaft in Andalusien zu übernehmen.

'Abd ar-Rahman ad-Dakhil, den sogar seine abbasidischen Feinde respektvoll als den "Falken der Quraisch" bezeichneten, nahm das Angebot an und errichtete seine Hauptstadt in Cordoba, von wo aus seine Nachkommen über dreihundert Jahre lang die Muslime und die Dhimmis in al-Andalus schützten und das Land zu einer kulturellen Blüte führten, die Europa seit dem nicht mehr gesehen hat.

Obwohl die 'Umaijaden sich vor allen Dingen auf ihre Machtzentren in Syrien verlassen konnten, so hatten sie rückblickend betrachtet einen fruchtbaren Einfluß auf die gesamte muslimische Welt. Nicht nur verdanken ihnen die heutigen Muslime einige der schönsten und bedeutendsten Moscheen, auch gehörten sie durch ihre Einführung des Arabischen als Amts- und Verwaltungssprache zu den größten Förderern arabischer Dichtung und Prosa.

Quelle: Islamische Zeitung

@ Ekrem Yolcu

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