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Britisches Kriegsabenteuer
30 Meilen vor Bagdad war schon einmal Schluss

Invasion, Bomben, Vormarsch auf Bagdad – das Szenario dieser Tage an der Seite der US-Invasionsarmee dürfte zumindest für die Briten nicht neu sein. Großbritanniens Soldaten versuchen nicht zum ersten Mal, Bagdad einzunehmen. Erstaunliche Parallelen zeigt die Geschichte britischer Eroberer zu den Ereignissen heute.

"Wir kommen als Befreier, nicht als Eroberer". Der von George W. Bush und Tony Blair verbreitete Leitsatz dieser Tage ist schon seit annähernd 80 Jahren Teil des irakischen Gedächtnisses. Mit diesen Worten war 1917 der britische Generalleutnant Stanley Maude in Bagdad eingezogen.

"Es übersteigt mein Verständnis, welches Interesse die britische Regierung an diesem teuflischen Land haben könnte", schrieb damals ein indischer Kavallerist in englischem Dienst aus der glutsengenden Wüste nach Hause. Die Antwort war einfach: Öl. Der Mesopotamien-Feldzug der Jahre 1914-1915 diente vorrangig dem Schutz der persischen Ölfelder vor dem Zugriff der Osmanen und ihrer deutschen Verbündeten. In Bagdad selbst herrschten damals die Türken.

Feldzug als mesopotamisches Picknick

Im November 1914 waren britische Truppen unter dem Oberbefehl des ebenso ambitionierten wie unfähigen Generalmajors Sir Charles Townshend in Basra gelandet. Der Brite galt als glückloser Feldherr und wurde wegen seiner Misserfolge kritisiert.

Generalmajor Townshend ist als glückloser Feldherr in die Geschichte eingegangen.

 

Nach der Eroberung Bagdads wurde General Maude in seiner englischen Heimat als Held gefeiert.

Mesopotamien ist weitgehend identisch mit dem heutigen Irak.

Nachdem sie die Stadt gesichert hatten, begann, den Tigris entlang, der Marsch auf Bagdad. Die begeisterte Londoner Presse feierte das Unternehmen schon als mesopotamisches Picknick, doch bei den Soldaten selbst wollte die rechte Ausflugsstimmung nicht aufkommen. Sie waren, 30 Meilen vor Bagdad, längst zu Tode erschöpft, entmutigt und vor allem zahlenmäßig weit unterlegen. Beißende Sandstürme, knappe Wasserrationen und die glutheiße Sonne nagten an der Substanz der Männer. Die wohlverschanzte türkische Armee schlug die Angreifer zurück und schloss sie im Dezember 1915 auf ihrem Rückzug in dem Dorf Kut al Amara ein. Nach fast fünfmonatiger Belagerung, begleitet vom Schlachten der Packtiere, von Hitzeschlägen, Cholera, Ruhr und Skorbut, gab Townshend auf. Bilanz: 23.000 Tote und Verwundete. Drei Viertel der 8.000 Überlebenden kamen in Kriegsgefangenschaft um.

Zehntausende Tote

In England war die Empörung über das Desaster unterdessen groß. Der bisher erfolgreiche General Sir Frederick Stanley Maude (1864-1917) wurde mit einer zweiten Expedition ausgesandt. Am 11. März 1917 rückten britische Heere erstmals in Bagdad ein und tatsächlich eroberten britische Truppen mit arabischen Aufständischen die Stadt. Doch es war der Höhepunkt eines langen und verlustreichen Feldzuges. Zehntausende Soldaten starben, wurden verwundet oder gefangen genommen. Mehr als 675.000 Soldaten und Hunderttausende Angehörige von Hilfstruppen waren in dem vierjährigen Feldzug bis zum 14. November 1918 im Einsatz.

 

"Ausländische Tyrannen"

Der britische General Stanley Maud umwarb die "Menschen von Bagdad" mit dem Versprechen, Großbritannien und seine Verbündeten würden die "seit 26 Generationen" anhaltende Herrschaft "ausländischer Tyrannen" beenden. Nach der Eroberung Bagdads wurde der Rest Mesopotamiens - weitgehend identisch mit dem Staatsgebiet des heutigen Irak - besetzt, am Ende des Ersten Weltkriegs schließlich vor allem die nördlichen Ölfelder um Mosul. Um die kurdischen Aufständen niederzuschlagen, griffen die Briten die Zivilbevölkerung in Tiefflügen an. Mehr als 10.000 Menschen verloren bei den Bombardements ihr Leben.

Nach der Eroberung wurden sofort die Ölgebiete unter britische Kontrolle gebracht. Damals hatten die Engländer den Kurden versprochen, dass sie von der türkischen Unterdrückung befreit und unabhängig werden könnten. Viele Kurden beschäftigt die Frage, warum die Engländer damals den Kurden geholfen haben. Die einzige Antwort ist, dass sie an den Ölquellen interessiert waren und die Entstehung eines kurdischen Staates verhindern wollten.

General Maude selbst freilich konnte sich nicht lange in seinem Triumph sonnen. Er starb an der Cholera, nachdem er im Anschluss an eine Aufführung des Hamlet in arabisch ein Glas ungekochter Milch getrunken hatte ...

Zerstückelung des Reiches

Der Waffenstillstand im November 1918 war zugleich der Auftakt zur Zerstückelung des Osmanischen Reiches. Britannien annektierte die Provinzen Bagdad, Basra sowie Mosul und kettete damit die sich untereinander ganz und gar nicht grünen Schiiten, Sunniten und Kurden unversehens aneinander. Zwei Jahre später kam es zu Stammesrevolten gegen die britische Herrschaft, mit Tausenden Toten auf beiden Seiten.

London reagierte mit Flächenbombardements, obwohl sich Winston Churchill, damals noch Kriegsminister, zusätzlich für den Einsatz von Giftgas aussprach. Noch während sie fielen, inthronisierten die Briten 1921 den schwachen Puppenkönig Faisal I.

Dieser zog später, kurz vor seinem Tod 1933, ein letztes bitteres Resumée: Von einer irakischen Nation oder gar irakischen Bürgern könne gar keine Rede sein. Die Menschen hier würden sich einzig ihrer Religion und ihren Traditionen verpflichtet fühlen und seien jederzeit bereit, sich gegen jede wie auch immer geartete Regierung zu erheben.

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