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Das Geld wird vergöttert und es wird verteufelt. Man kann ihm in seinem Leben auch
einen rationalen Platz als notwendiges Zahlungs- und Werteaufbewahrungsmittel einräumen.
Alles das ist nicht neu. Doch immer wieder wird über die Rolle des Geldes aktuell, sowohl
rechtfertigend wie auch kritisch, mit guten Argumenten diskutiert; nicht erst seit dem
Ende der D-Mark als gültiges Zahlungsmittel mit dem 28. Februar. Zur Zeit wird besonders
intensiv über das Geld im Zuge der Globalisierung und wachsenden Einflusses von
Finanzinteressen debattiert. Kritisches kommt vor allem aus sozialer und religiöser
Sicht: mit Vorliebe aus den armen Ländern, wo inflationäres Papiergeld täglich neu in
den Händen zerrinnt.
Geld hat eine neue Dimension erhalten. Der Soziologe und Philosoph Oskar Negt spricht in
seinem neuen Buch «Arbeit und menschliche Würde» von einer «Verselbständigung der
Geldmacht und der Finanzströme, die bisher in den Alltagszusammenhang der Erwerbs- und
Arbeitsgesellschaft eingebettet waren». Er sieht darin eine der folgenreichsten und
bedrohlichsten Abspaltungen von konkreten Lebenszusammenhängen. Das Geld verliere seinen
medialen Charakter. Negt verweist auf den Umfang, in dem sich dieses abstrakteste Medium
menschlicher Beziehungsverhältnisse von allen rechtlichen, politischen und moralischen
Kontrollinstanzen der Gesellschaft abkoppele. «Es entsteht eine Gesellschaft mit eigenen
Gesetzen.»
Kernstück der Kritik aus religiöser Sicht ist, dass im allgemeinen Bewusstsein das Geld
immer mehr die frühere Stelle Gottes als alles bestimmende Macht einnehme. Der Soziologe
und Philosoph Georg Simmel setzte es schon vor hundert Jahren in seiner «Philosophie des
Geldes» in Beziehung zu Gott: Das Gefühl von Ruhe und Sicherheit, das der Besitz von
Geld gewähre, entspreche psychologisch demjenigen, das der fromme Mensch in seinem Gott
finde.Papiergeld ist ein Resultat des Säkularisierungsprozeß.
Neue Bedeutung hat das Phänomen nach dem Urteil heutiger Wissenschaftler inzwischen
dadurch gewonnen, dass zumindest in der westlichen Welt die Frommen eher die Ausnahme
sind. Das «liebe Geld» habe dem «lieben Gott» den Rang abgelaufen, formuliert der
Theologe Hans-Joachim Höhn. Sein Kollege Thomas Ruster mahnt ein deutlicheres Profil des
Christentums gegenüber der Wirtschaft als «dominante Macht in der Welt» an. Dem
Kapitalismus mit seinem Zinssystem müsse die Anerkennung verweigert werden. Es gelte,
alle Versuche der Vermittlung mit einer gottlosen Welt aufzugeben. Stattdessen sollte sich
das Christentum nach seiner Auffassung zu den biblischen Lehren über wirtschaftliches und
soziales Verhalten bekennen, einschließlich des Zinsverbots. Heute wird das Zinsverbot
nur noch von einer Minderheit der Christenheit reflektiert. Dennoch, man frägt sich: Eine
Rückbesinnung auf die christliche Tradition ?
Schon Moses verlangte, dass einem verarmten Menschen geholfen werden müsse, ohne von ihm
Zins zu nehmen. Ein Kernstück der heute fast gänzlich ignorierten Wirtschaftskritik
Martin Luthers galt der Ungleichheit des Risikos zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer.
Luther sah im Zins nehmenden und gewinnorientierten Wirtschaften überhaupt die
systematische Umkehrung des von Gott geforderten Verhältnisses zum Nächsten. Er wollte
eine Ökonomie, die sich nicht am persönlichen Gewinn, sondern am bedürftigen Nächsten
orientiert.
In der muslimischen Welt dürfen nach dem auf dem Koran basierenden Recht keine Zinsen
verlangt und gewährt werden. Was die Solidarität mit dem Nächsten angeht, so sind alle,
die über einer bestimmten Armutsgrenze leben, außer zu Almosen auch zu einer festen,
jährlichen Abgabe, dem Zakat verpflichtet. Diese je nach Besitz gestaffelte Abgabe ist
keine Form von Wohltätigkeit, sondern der rechtmäßige Anspruch der Armen den Reichen
gegenüber. Eine Bürokratie zur Eintreibung der verlangten Abgabe verbietet der Koran
ausdrücklich und bestimmt die Regeln der Verteilung und Zuweisung des Zakat bindend.
Aber auch die allgemeine Rolle des Geldes wird in der Ummah zunehmend kontrovers
debattiert. So hat der malaysische Präsident Mahathir wiederholt die Einführung einer
goldgebundenen islamischen Währung, den islamischen Dinar, eingefordert. Er sieht diese
Initiative als ein Versuch der islamischen Länder die globale Herrschaft des Dollars, der
kapitalistischen Machtbasis der USA, in Frage zu stellen. Malaysia will diese
ökonomischen Themen im Rahmen des Vorsitzes der IOC diesen Jahres weiter vorantreiben.
Ähnlich wie bei den Christen besinnt sich der Islam nach einem Jahrhundert der
"Politischen Ideologie" wieder langsam auf die Definition einer konstruktiven
islamischen Ökonomie.