Russlands Oligarchie und der Mythos der europäischen Werte


Kommentar


Nach der Regierungsbildung in Wien sorgt sich Europa. Steht ein Rückfall Europas in die völkische Perspektive bevor? Die europäische Politik hat auf den Sündenfall in Wien mit seltener Hysterie reagiert, und von Lissabon bis Berlin wurden die „europäischen Werte“ bemüht. Man hätte sich gewünscht, daß nur ein Bruchteil dieser Empörung auch für das tschetschenische Volk aufgebracht worden wäre. Die zynische Schlacht um Grosny ist nun seit einigen Tagen geschlagen. Wieder ist ein Genozid an Muslimen von Europa passiv beobachtet worden. Mit den einstürzenden Gebäuden in Tschetschenien ist auch das europäische Wertesystem längst in sich zusammengebrochen. Außenminister Fischer hatte bei seinem Besuch „unter Freunden“ in Moskau das Problem der europäischen Politik auf den Punkt gebracht: Tschetschenien ist für Fischer eindeutig “unter der Schwelle strategischer Bedeutung“. Warum Fischer und seine Kollegen den russischen Despoten ohne moralischen Ekel umarmen können, bleibt das Geheimnis ihres Wertesystems. Russland bleibt im Angesicht von Völkermord und Vertreibung immer noch gern gesehener Gast im Europarat und damit Teil des europäischen Wertesystems. Nach der Logik des Westens ist Russlands Verbleib in der „Zivilisation“ schon aus ökonomischen Gründen unabdingbar. Mit gleicher Logik unterstützt das rot-grüne Bündnis in Berlin auch die Diktatur Chinas, trotz ihrer Vernichtungspolitik in Ostturkestan, mit Millionen deutscher Entwicklungshilfe. Im Lichte dieser Ereignisse gerät die hysterische Kritik Europas an der Regierungsbildung in Österreich, die die europäischen „Werte“ gefährde, zum peinlichen Schauspiel. Der rapide moralische Zerfall des europäischen Wertsystems ermöglicht natürlich den traurigen Aufstieg völkisch orientierter Populisten. Die nun empörten europäischen Politiker hatten noch Monate zuvor dem Vernichtungsfeldzug Serbiens im Kosovo zugeschaut und waren nicht bereit, auch nur einen einzigen Soldaten für die „europäischen Werte“ ins Feld zu führen. De facto hat das europäische Wertesystem den Wert des Menschen absolut relativiert. Globale Finanzsysteme kennen keine moralischen Kategorien. Es ist eben kein Menschenrecht, sich die Erde grenzenlos und vollständig untertan zu machen. Der Erfolg des Islam innerhalb Europas Eliten erklärt sich aus diesen Beobachtungen und macht mehr Sinn als die Wiederbelebung der säkularen Ideologien.


Quelle: Islamische Zeitung, 36. Ausgabe

@ Ekrem Yolcu

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